F wie FREUDE
Ich habe die Anfrage, für Aufleben.online einen Text zu schreiben, sofort und
freudig, angenommen.
Es ging in der Einladung um die Idee, praxisnahe Übungen zur Selbststeuerung durch kreatives Schreiben
zu übermitteln.
Ich hoffe, dass den lesenden Personen mein Plädoyer fürs Arbeiten und sich Abarbeiten am Papier
zur Inspiration und Motivation gereicht.
Natürlich sind alle angesprochen, die Lust auf eine Runde Musenkunde haben,
ausgerichtet habe ich mich beim Sammeln und Strukturieren besonders an die von mir äußerst geschätzte
Berufsgruppe der Pädagog:innen.
FÜLLFEDER und FÜHL die FEDER
Sinnliche Erfahrung ist per se entspannend, inspirierend und differenziert unsere Wahrnehmung und damit
auch unsere Ausdrucksweise.
Somit steht die Füllfeder für ein stimulierendes Arbeiten.
Der Bleistift. Der Kugelschreiber.
Wir arbeiten wieder und immer noch mit einem Schreibgerät unserer Wahl in der Hand und
unliniertem A4-Papier.
FORM und FREUNDSCHAFTLICHE SELBSTBEZIEHUNG
Diese Regel gilt im Besonderen, wenn ich mir den Raum für Kreativität einrichten und ihn kultivieren möchte,
nicht unbedingt, wenn ich eine Einkaufsliste oder ähnliches schreibe,
aber dort, wo es um unsere Seelenpflege gehen darf,
empfehle ich auf Digitales und Maschinelles zu verzichten und die Form zu wahren.
Haptik geht vor Effizienz!
Wenn wir uns Gedanken machen wollen über den Zusammenhang von künstlerischem Arbeiten und
Lebenskunst, kommen mir auch
Lebensqualität – Lifestyle – Lustigkeit – Leichtigkeit – Laune in den Sinn.
Da ich mir gerne schreibend Gedanken mache, stehen sie da
Auf dem Papier
Da stehen sie herum und wollen nichts von mir und lassen mich
In Ruhe
Lassen mich in Ruhe nachschauen, wie sie zueinanderstehen
Ich schaue
Ich schaue nach
Und nach und nach finde ich vielleicht zufälligerweise „Weises“.
Schreiben ist für mich manchmal wie das Spielen mit Bauklötzen.
Wir bauen.
Wir stapeln und uns gelingt ein Turm. Wie schön! Wie hoch!
Wie hoch?
Es gibt auch das absichtslose Spielen mit einzelnen kleinen Holzteilen.
(In unserem Fall spielen wir mit Worten, mit Buchstaben, mit Satzteilen und Satzzeichen.)
Wir holen uns einzelne Klötzchen aus der Kiste, legen eins neben das andere.
Wir schauen, wir prüfen, ob gelb neben grün heller glänzt als rot neben blau.
Wir schauen, ob es noch ein Drittes von den Roten gibt …
Und so ordnen wir – was keine Ordnung braucht.
Zum Zeitvertreib. Während wir so vor uns hin wurschteln, entschleunigen wir.
„Spielen“, sei es mit Basketbällen, Bauklötzen oder eben zu beschreibenden Blättern,
wirkt unmittelbar entspannend auf unser fallweise (über-)strapaziertes, tüchtiges und tapferes Gehirn.
Woher kommt das?
Aus jener Ecke im Gehirn, wo wir uns fürchten, uns sorgen mussten und müssen. Überlebensmechanismus.
Und jetzt? Vom Müssen zur Muße und von dort zur Muse.
Die Möglichkeit, sich zu entspannen, hat mit Geborgenheit und sicherer Umgebung zu tun.
Etwas in uns erkennt genetisch bedingt den ehemals programmierten und immer noch aktiven Relax-Code:
Oh, es wird gespielt?! Und jetzt? Party!!
Es scheint kein wilder Wolf, kein beißender Bär und kein störendes Szenario in Sichtweite, daraus folgt:
F wie: Frei von Stress und Sorge. Frei wie: Freizeitgestaltung.
Im Umkehrschluss bedeutet die Entscheidung, ein Spiel aufzunehmen, eine Entscheidung in Richtung
Entspannung und damit zur Selbstfürsorge hin.
FÜR SORGEN
Sich selbst auf dem Papier begegnend ein:e tröstliche:r, unterstützende:r und fordernde:r Freund:in sein.
Nach den Morgen- (Übung 1) und Abend-Aufgaben (Übung 2) folgen hier zwei weitere,
die diszipliniert und/oder auch anlassbezogen zu jeder Tageszeit ausgeführt werden können.
FÜHLEN * Übung 3
Wenn wir dieser Übung nachgehen, kommen wir uns selbsterforschend ein Stückchen näher.
Jemand scheint wissen zu wollen, wie du dich fühlst. Ah. Das bin ja ich.
Ich frage mich,
wie fühle ich mich? Jetzt gerade.
Und jetzt?
Dieser Frage können wir auf dem Papier vielfältige
Antworten liefern – ohne Anspruch auf Richtigkeit, aber mit voller Leidenschaft und einem Gefühl für
Wichtigkeit.
Ähnlich den an-ge-FÜLLTEN Seiten (Übung 1) dienen diese an-ge-FÜHLTEN Seiten einem privaten Prozess
der Selbsterkenntnis und der Selbstbegegnung.
Ich bin …
… bin überfordert mit dieser Übung …
Ich bin überfragt … ob „überfordert“ überhaupt ein Gefühl ist?
Ich bin so pflichtbewusst.
Ich fühle mich amüsiert.
Ich spüre ein unangenehmes Ziehen im Nacken – spüren ? Ist spüren fühlen?
Ich denke, dass ich einen Massagetermin organisieren sollte … oh, denken ist NICHT fühlen.
… andere Übung … zurück zu …
Und jetzt? Wie fühle ich mich … wie fühl ich mich … du dich
Ich bin zufrieden.
Ich fühle mich gesehen.
Diese Art der Selbstbefragung kann eine wohltuende Routine werden und dient teilweise tröstend und
haltend als Stütze, wenn wir uns verloren fühlen.
Verletzt, verunsichert, kann die Übung auch sehr langsam und achtsam und liebevoll in kleinen Schritten
absolviert werden.
Ich bin verletzt.
Nichts weiter. Kein dazu Denken. Kein dazu Stellung nehmen. Kein Einmischen. Nur das pure Fühlen steht
auf dem Papier und im Vordergrund.
Wir bleiben dabei. Wir lassen dieses Gefühl zu und da sein. Wir lassen den Stift eventuell ruhen,
weil die Hand auf dem Herzen liegen möchte, die zweite Hand hält den Kopf oder ein Taschentuch bereit.
Wir lassen den Tränen Raum, atmen uns im Verletzsein durch den Moment und damit in und durch den
nächsten. Wir kosten das Gefühl aus.
Viktor Hugo: „Melancholie ist das Vergnügen, traurig zu sein.“
Wir gönnen uns das Vergnügen, jedes Gefühl zu fühlen.
Ohne Warnung. Ohne Wertung. Die Übung ist eine Art Wartung für unser Befinden.
Wir pflegen das, was da ist.
Oder was DA gewesen wäre im Alltag, in einem Moment, wo dafür kein Raum war.
Indem wir auf ein leeres Blatt Papier schauen, schauen wir uns selbst an.
Für diese Übung gibt es keine Vorgabe, wie viel Blätter gefüllt werden, oder wie lange sie dauern soll.
Es kann passieren, dass wir verwirrt und aufgewühlt, schluchzend oder juchzend NICHTS schreiben können
und uns dennoch durchgearbeitet und erfrischt fühlen …
… oder bereit, um Hilfe zu bitten oder zu beten.
Wir hetzen uns nicht durch die Übung. Wir bleiben z. b. beim
Verletztsein
bis wir weiterkommen und wenn wir wollen …
schreiben wir …
Und jetzt? Wie ist es jetzt?
Ich fühle mich erleichtert.
FINALE
Zum Abschluss möchte ich eine Übung anbieten, die uns hilfreich sein kann, wenn wir mit einem Konflikt
beschäftigt sind, uns in einem Dilemma befinden und selbst mit drei bereits vollzogen Übungen zu keiner
Erleichterung oder Lösung gekommen sind.
Schreiben, um wortwörtlich LösungsanSÄTZE zu finden.
Ressourcenorientiert und eventuell heiter bis witzig, inspirierend, absurd und vielleicht unmöglich
umzusetzen!
Aber manchmal gelingt durch das radikale und rasche Nichtdenken ein Um-die Ecke-denken,
ein Perspektivenwechsel.
Dadurch erhaschen wir einen FRISCHEN Blick auf ein Thema und erfahren
Flexibilität im Geiste.
Die Übung soll Hoffnung machen, aber es gibt natürlich keine Garantie.
Da sie so unaufwendig funktioniert,
empfehle ich, sie einfach bei Gelegenheit auszuprobieren.
FRISCH und FLOTT * Übung 4a
Thema X beschäftigt dich!
Nimm ein Blatt Papier und schreibe die Punkte 1-10 linksbündig an den Rand.
Jetzt notierst du sofort und schnell zehn Ideen,
die 100 % FRISCH sind. Die du noch nie hattest, nie haben durftest oder dürftest :-)
FRECHE. FABELHAFTE Ideen.
Unzensierte.
* Was wäre die absurdeste Herangehensweise, um Thema X zu lösen?
* Wer wäre eine Hilfe, der oder die, wenn du vernünftig überlegst, sicher NICHT in Frage kommt, für eine
Unterstützung. Aber jetzt bist du grade nicht vernünftig …
Jetzt bist du VER - RÜCKT.
Ein wenig weiter gerückt. Beweglich, flexibel und fantasievoll vom Problem weggerückt, in eine kreative
Richtung schauend und denkend.
* Was wäre, wenn du alles machen könntest ohne Konsequenz – was gäbe es dann für Ideen?
* Wenn Geld keine Rolle spielen würde? Oder Zeit?
Dies ist keine To-do-Liste! Nichts davon muss jetzt gemacht werden.
Die absurden und vielleicht unmöglichen Ideen können unterhaltsam und daher auf das System entspannend
wirken.
Oder sie bringen uns tatsächlich auf eine neue, frische Spur.
*Übung 4b:
Wie Übung 4a,
und jetzt (ein bisschen wie Stadt, Land, Fluss …):
Beginne jeden deiner Vorschläge mit einem zufällig gewählten Buchstaben.
Notiere die Punkte 1-10
Erfinde 10 Ideen zur Lösungsfindung das Thema X angehend mit … z. b. dem Buchstaben G!
Mhm. G. G. G. …
… Garten. Gras. Grün … Im Garten nach Lösungen suchen …
Großzügig das Thema X betrachten.
Gott fragen.
Glutenfreie Kekse machen und der Person, die das Thema X repräsentiert, schenken!
Diese beiden Übungen können auch zu zweit stattfinden und die Ergebnisse auf Wunsch gegenseitig
vorgelesen werden.
Wirkt eventuell mehr als doppelt inspirierend.
Und die Übung geht natürlich auch in euren Klassen!
Viel Freude beim Schreiben, beim Schaffen und beim Scheitern ;-)
Weitere Teile des Beitrags
Den Einstieg in die Selbstfürsorge durch Schreibroutinen bietet Michaela Obertscheider in Teil 1 ihres Beitrags.
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