Wer kennt sie nicht – die vielzitierten Kommunikationsmodelle?
Kaum jemand hat es geschafft, seine pädagogische Ausbildung zu durchlaufen, ohne eines der gängigen Kommunikationsmodelle genossen zu haben, wie zum Beispiel das Vier-Ohren-Modell nach Schulz von Thun oder das Eisbergmodell nach Sigmund Freud. Ich selbst habe mich während meiner Ausbildungen immer wieder mit Buchstabenreihen wie GFK oder NLP beschäftigt, die Auswirkung von einzelnen Worten war jedoch selten referiert worden. Erst die Bücher von Mechthild R. von Scheurl-Defersdorf haben mich in die faszinierende Welt der Worte, Sätze und Redewendungen geführt. Ich bin immer wieder begeistert, wie sich die Kommunikation und das Miteinander verändern können, wenn wir unser Sprachverhalten reflektieren.
Worte, die die Welt verändern
Zum größten Teil verwenden wir Sprache ganz unbewusst – wir reden gewissermaßen „wie uns der Schnabel gewachsen ist“, ohne viel über die Wortwahl nachzudenken. Wir wissen jedoch auch, dass jedes Wort eine Wirkung hat und mit den Auswirkungen haben wir manchmal zu kämpfen. Ein Wort zum Beispiel, welches wir im Alltag sehr häufig verwenden, ist das Wort „müssen“. Laut einer Analyse des Dudenkorpus belegt es Platz 6 in der Liste der häufigsten Verben. Wenig verwunderlich also, wenn wir uns im Alltag manchmal „fremdgesteuert“ fühlen. „Müssen“ macht sehr viel Druck sowohl bei uns selbst als auch bei unserem Gegenüber. Stress, Überforderung und Lustlosigkeit im Berufsfeld der Pädagog*innen stehen für mich in engem Zusammenhang mit den Erwartungen und dem „Müssen“, die immer wieder in den Vordergrund gestellt werden.
Die Lösung für die ungünstigen Auswirkungen des Wortes „müssen“ ist ganz einfach: statt „Ich muss mich auf den Weg machen.“ – „Ich werde mich auf den Weg machen.“, statt „Ich muss den Test korrigieren.“ – „Ich werde den Test korrigieren.“, statt „Ich muss Lena helfen.“ – „Ich werde Lena helfen.“ Die Zukunftsform ist zudem eine wunderbare Alternative, da sie in der Gegenwart mehr Raum zulässt und die Selbstbestimmtheit spürbar wird. Auch unser Gegenüber reagiert meist unbewusst auf dieses „müssen“, es entsteht Widerstand oder es sinkt die Bereitschaft zur Kooperation. Hier können wir als Sender*in einer Botschaft einen bedeutsamen Unterschied machen.
Ein weiteres Wort, welches sich lohnt zu reflektieren, ist das Wort „aber“. Ein Beispiel, um es zu verdeutlichen: „Das hast du gut gemacht, aber beim nächsten Mal gibst du mehr Gas.“ Die Anerkennung im ersten Teil des Satzes wird durch „aber“ vernichtet. Auch hier ist die Lösung leicht umsetzbar: Einfach „aber“ durch „und“ ersetzen.
Und zu guter Letzt noch zwei Worte, die unsere Überzeugungskraft schmälern: „eigentlich“ und „vielleicht“. Wir sind uns vielfach nicht bewusst, wie oft wir diese Worte in Sätze einbauen: „Eigentlich geht es mir ganz gut.“, „Vielleicht kannst du dein Zimmer aufräumen.“ Ein kleines Beispiel, um zu verdeutlichen, wie wir durch die Verwendung dieser Worte an Kraft verlieren: Wer hört sie nicht gerne, die drei magischen Worte „Ich liebe dich.“? Und nun zum Nachspüren diese drei Worte mit einem kleinen Zusatz: „Eigentlich liebe ich dich.“ oder „Vielleicht liebe ich dich.“. In diesem Zusammenhang wird schnell klar, dass sich die Bedeutung dramatisch ändert. Das Spannende ist, dass durch das Aufzeigen solcher Beispiele die Verwendung von bestimmten Worten bewusst gemacht wird und wir dadurch im Alltag immer wieder darauf aufmerksam werden – lassen wir uns überraschen.
Zum Nachspüren diese wichtigen drei Worte mit einem kleinem Zusatz: "Eigentlich liebe ich dich." oder "Vielleicht liebe ich dich."
„Positivität“ und wie wir darüber stolpern
„Das hast du gar nicht schlecht gemacht.“, „Ihr sollt nicht schwätzen!“, „Es ist ein unkompliziertes Kind.“ – Aussagen, wie wir sie alle kennen. Wenn wir sie gedanklich aus der Negativformulierung holen, kommen Sätze wie: „Das hast du gut gemacht.“, „Bitte seid ruhig.“, „Es ist ein wunderbares Kind.“ – die Wirkung ist sofort spürbar. Wir wissen, dass es schwer möglich ist, ein negativ formuliertes Ziel wie „Ich möchte nicht immer so ungeduldig sein.“ zu erreichen. Wenn es gelingt, aus einem „Weg-von-Ziel“ („Ich möchte weniger depressiv sein.“) ein „Hin-zu-Ziel“ zu formulieren („Ich möchte wieder Lebensfreude spüren.“), kann eine ganz andere Energie entstehen, um das Ziel zu erreichen. Dies gilt auch für die Kinder, die uns anvertraut werden und die wir auf ihrem Weg begleiten.
Im Bildungsbereich beobachte ich nach wie vor den Fokus auf Nichtgelingendes bzw. Schwächen der Schüler*innen, wobei ich auch die Hinwendung zur Positiven Psychologie wahrnehme, was sich bei der Entstehung von erfolgreichen Konzepten wie zum Beispiel PERMA.teach zeigt. Somit lassen sich alte Strukturen aufweichen und eine gelingende Lernatmosphäre schaffen. Dennoch findet sich in so manchem Schulheft unter einem Text, bei dem alles richtig geschrieben wurde, in roter Farbe ein 0.F., bzw. würden ich mir bei einer Rechenüberprüfung, bei der von 20 Rechnungen drei nicht richtig gelöst wurden, ein „Bravo – 17 richtig!“ wünschen. Den Ausweg aus dem numerischen Benotungssystem mit Farbsystemen oder Smileys halte ich für wenig hilfereich, da wir aus der Wirkweise von Bildern wissen, dass sich ein trauriger Smiley nicht besser anfühlt als eine Note in Zahlen.
Friedenserziehung
Die Friedenserziehung ist ein weites Feld mit vielen Komponenten. Auch die Sprache hat hier eine große Bedeutung und mir ist es ein Anliegen, auf die Verwendung von gewalttätigen und kriegerischen Wörtern hinzuweisen. Wer hat schon einmal am Telefon den Satz: „Ich muss dich abwürgen, weil …“ verwendet? Oder wurdet ihr um Hilfe gebeten mit dem Satz „Ich habe ein Attentat auf dich.“? Kennt ihr den Vergleich „Das passt wie die Faust aufs Aug.“? Unmittelbar im Zusammenhang mit Krieg stehen die Aussagen wie „Bis zur Vergasung warten.“, „Ich stehe an der Front.“ oder „Bombenwetter“.
Im Zusammenhang mit dem Wort „schlagen“ gibt es Redewendungen, bei denen wir die Brutalität normalerweise gar nicht mehr wahrnehmen: „Das kannst du dir aus dem Kopf schlagen.“, „Ich möchte schlagfertig sein.“ oder „sich schlagende Argumente suchen“. Es gibt natürlich willkommene andere Formulierungen – auch hier ist eine „Idee“ immer angenehmer als ein „Ratschlag“ oder ein „Vorschlag“.
Auch wenn beim Lesen dieses Artikels vielleicht manchmal der mahnende Zeigefinger aufpoppt, hoffe ich, dass durch das Bewusstmachen mancher Sprachgewohnheiten eine Sensibilisierung stattfinden kann und dadurch das Leben etwas leichter werden darf. Allen, die ich für dieses Thema begeistern konnte, möchte ich die Sprachkarten von Mechthild R. von Scheurl-Defersdorf sehr ans Herz legen. Sie hat einen Kartensatz entwickelt, der sich mit unterschiedlichen Stolpersteinen der Sprache beschäftigt. Auf der einen Seite der Karte ist ein Satz notiert, der ungünstige Auswirkungen hat und darunter eine mögliche gewinnbringendere Alternative. Auf der jeweiligen Rückseite gibt es eine kurze Erklärung dazu. Es ist eine wunderbare Möglichkeit, sich eine Karte auszusuchen und diesem Aspekt eine Woche lang eine höhere Aufmerksamkeit zu schenken. So kann Schritt für Schritt das eigene Sprachverhalten reflektiert und verbessert werden.
Eltern.fit-Lehrgang mit Simone Ringler
Simone Ringer übernimmt die Lehrgangsleitung für den Eltern.fit-Lehrgang des Katholischen Bildungswerks Tirol, welcher im Jänner 2025 starten wird. Kommunikation und Konfliktregelung ist ein Modul im Eltern.fit-Lehrgang und wird die Inhalte dieses Beitrag vertiefen.
Dieser Lehrgang richtet sich an:
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Menschen mit Interesse an elternbildungsrelevanten Themen mit und ohne pädagogischer Vorbildung
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Mitarbeiter*innen in Kinderbetreuungseinrichtungen mit Elternkontakt
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Menschen, die eine Eltern-Kind-Gruppe leiten und/oder sich im Thema Elternbildung vertiefen möchten, um diese Kenntnisse in ihren jeweiligen Bereichen einzusetzen
Literatur
- Mechthild R. von Scheurl-Defersdorf (2022): In der Sprache liegt die Kraft: Klar reden, besser leben. Herder Verlag, Freiburg.
- Herausgeber: Mechthild R. von Scheurl-Defersdorf (2020): Jedes Wort wirkt!: Bewusste Sprache in der Pädagogik. Lingva Eterna. Erlangen.
- Herausgeber: Mechthild R. von Scheurl-Defersdorf (2023): Die Kraft der Sprache – LINGVA ETERNA®: 80 Karten für den täglichen Sprachgebrauch. Lingva Eterna. Erlangen.
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