Wertschätzung für ein gutes Arbeits- und Lernklima und mehr Motivation
Jede*r von uns kennt Lehrpersonen, einige von ihnen sind uns gut im Gedächtnis geblieben, andere weniger. Doch ich glaube, wir alle hatten Lehrer*innen, die für uns einen Unterschied gemacht haben, die durch kleine oder große Gesten und Aussagen dazu beigetragen haben, dass wir uns als Schüler*innen gesehen, geachtet und wertvoll gefühlt haben. Diese Lehrpersonen haben – vielleicht ganz natürlich und ohne viel Nachdenken – eine Haltung vermittelt, die von gegenseitiger Wertschätzung und Respekt geprägt war. Diese Haltung bei sich selbst und im Schulhaus zu etablieren, kann von großem Wert sein, sowohl für die Kinder und Jugendlichen als auch für die Kollegen*innen und für einen selbst.
Dass Wertschätzung dazu beiträgt, ein gutes Arbeitsklima zu schaffen, die Motivation der Mitarbeiter*innen zu erhalten oder auch Burn-out vorzubeugen, ist mittlerweile erwiesen. Dazu gehören viele kleine alltägliche Gesten, ein „Danke“ an den Kollegen, ein „Ich sehe dein Bemühen“ an die Chefin, eine Woche der Wertschätzung vom k+lv. Viele von uns begegnen ihren Mitmenschen generell in einer wohlwollenden Haltung und mit Respekt. Wenn alles gut läuft und wir in einem guten Arbeitsumfeld sind, fällt das auch meist gar nicht schwer. Doch wie kann ich wertschätzend bleiben, wenn die Situation schwierig ist oder unangenehme Dinge zur Sprache gebracht werden müssen? Hier gibt es hilfreiche Tools, die es ermöglichen, dem Gegenüber mit Höflichkeit, Respekt und Wertschätzung zu begegnen und trotzdem auf den Punkt zu kommen. Im Folgenden möchte ich gerne aus meiner Praxis berichten und Werkzeuge und Modelle vorstellen, die sich bewährt haben, einfach einsetzbar sind und ohne großes Fachwissen anwendbar sind. Dabei möchte ich gerne auf zwei verschiedene Aspekte eingehen: Wertschätzung und konstruktive Konfliktlösung mit Eltern und Kollegen*innen sowie Wertschätzung bei schwierigem Verhalten von Schüler*innen.
Doch wie kann ich wertschätzend bleiben, wenn die Situation schwierig ist oder unangenehme Dinge zur Sprache gebracht werden müssen?
Vom Vorwurf zum Wert: Die VW-Methode
Die sogenannte VW-Methode kommt aus der Gewaltfreien Kommunikation. Diese wurde vom US-Amerikanischen Psychologen Marshall B. Rosenberg entwickelt und ist nicht nur ein Werkzeug, um besser in Konflikten und schwierigen Situationen zu kommunizieren. Sie ist eine Haltung, die davon ausgeht, dass ich mich und meine Werte und Bedürfnisse kenne und in der Lage bin, diese meinem Gegenüber in einer gewaltfreien und wertschätzenden Haltung mitzuteilen. Die Auseinandersetzung mit meinen Werten erfordert ein bisschen Übung: Welche Werte leiten mich und sind mir wichtig? Welches Gefühl taucht auf, wenn einer meiner Werte nicht erfüllt wird oder in Gefahr ist? Doch sobald ein Bewusstsein für meine Werte da ist, gelingt es leicht, sich darauf zu berufen.
Werte benennen das, was uns wichtig ist: Ordnung, Pünktlichkeit, Flexibilität, Stabilität, Achtsamkeit, Toleranz, Menschenwürde, Fairness, Demokratie, Rücksicht, Menschlichkeit, Erfolg, uvm. Uns allen sind diese Werte bekannt, wir teilen viele von ihnen, manche ausgeprägter, manche weniger. Wir alle sehnen uns nach Teilhabe, Mitsprache, Anerkennung, Respekt und Wertschätzung.
In Konfliktsituationen passiert es aber leider häufig, dass wir in eine Angriffsposition gehen und unserem Gegenüber mit Vorwürfen begegnen. „Nie bist du vorbereitet!“, „Immer muss ich die ganze Arbeit erledigen!“, „Du bist den Schüler*innen gegenüber zu streng!“ – mit solchen Sätzen fordern wir unser Gegenüber richtiggehend heraus, sich zu rechtfertigen und zu verteidigen oder selbst in eine Angriffshaltung zu gehen.
Wenn ich aber von meinen persönlichen Werten spreche, hat mein Gegenüber keine Möglichkeit, in die Abwehr zu gehen, da ich ja von mir spreche und wie es mir mit der Situation geht. „Mir ist Verlässlichkeit wichtig!“, „Ich lege Wert auf Fairness und kollegiales Miteinander!“, „Ich möchte den Schüler*innen auf Augenhöhe begegnen und ihre Selbstwirksamkeit und Selbstständigkeit aktivieren!“
Um nun besser in Konfliktsituationen agieren zu können und Vorwürfe zu vermeiden, ist es hilfreich, sich zu überlegen: Warum ärgert mich das so? Wieso macht mich dieses Verhalten traurig? Welcher mir wichtige Wert steckt dahinter und wodurch ist dieser bedroht? Diese Überlegungen helfen dabei, klare Aussagen zu treffen, die sich auf mich beziehen und nicht die Persönlichkeit meines Gegenübers angreifen.
Vom Vorwurf zum Wert zu kommen, schafft es innerhalb kürzester Zeit, ein konstruktives Klima zu schaffen und das Wesentliche zur Sprache zu bringen. Es geht nämlich nicht darum, dass DU nie das Papier im Kopierer nachfüllst, sondern dass MIR wichtig ist, eine ordentliche und verlässliche Arbeitsumgebung zu haben. Es geht auch nicht darum, dass DU zu sehr die Fehler der Schüler*innen betonst, sondern dass ICH mir ein ermutigendes und selbstwertstärkendes Schulklima wünsche. Und es geht auch nicht darum, dass dieser Vater nie das Mitteilungsheft kontrolliert, sondern dass ICH mir Partizipation und Verantwortungsübernahme der Eltern wünsche.
Wertschätzung bei schwierigem Verhalten von Schüler*innen: Das Körbe-Modell
Immer wieder kommt es in der Schule vor, dass schwieriges, auffälliges Verhalten von Schüler*innen besprochen werden muss. Gewalt jeder Art hat in der Schule keinen Platz, entspricht nicht unseren Werten und muss daher angesprochen werden. Natürlich hilft auch hier die Gewaltfreie Kommunikation und ihre Methoden und Haltungen, deshalb möchte ich gerne ein Modell vorstellen, das sich in der Praxis als sehr hilfreich erwiesen hat. Beim sogenannten 3+1-Körbe-Modell geht es primär darum, unerwünschtes Verhalten klar zu benennen und sich im Team auf Konsequenzen und Vorgehensweisen zu einigen. Wie bei einer Ampel wird das Verhalten des Kindes in 3 Kategorien eingeteilt (am besten auf entsprechend farbiges Papier schreiben, um auch visuell Klarheit zu schaffen):
- Im grünen Korb, dem Akzeptanzkorb, wird Verhalten kategorisiert, das so weit O.K.ist, zwar nicht unbedingt den Preis für bestes Verhalten aller Zeiten gewinnt, aber wodurch niemand zu Schaden kommt.
- In den gelben Korb, den Kompromisskorb, wird Verhalten gelegt, das eigentlich nicht erwünscht wird, aber aufgrund der jetzigen Situation nicht konstruktiv bearbeitet werden kann. Dies wird aber in Zukunft sicher noch zur Sprache gebracht und Veränderungen sind erwünscht.
- Der rote Korb ist der STOP- oder NO-GO-Korb. Hier wird Verhalten benannt, das nicht toleriert wird und sofortige Konsequenzen nach sich ziehen muss. Darin sind sich alle Beteiligten einig.
Der wichtigste der 3+1-Körbe ist aber der +1-Korb oder der weiße Korb, der den Fokus auf die Ressourcen des Kindes legt. Auf einem weißen Blatt werden alle Kompetenzen, Stärken, Charaktereigenschaften, empathisches Verhalten des Kindes sichtbar gemacht. Dieser Korb ist der Korb, der als erstes gefüllt wird und bei dem alle Beteiligten mindestens einen Beitrag nennen müssen. Dies dient dazu, das Kind nicht nur als schlecht und negativ zu sehen, sondern uns vor Augen zu führen, dass jede Person gute Eigenschaften und liebenswerte Aspekte hat. Es hilft uns dabei, in eine wertschätzende Haltung zu kommen und unsere Kräfte zu mobilisieren, um dem Kind dabei zu helfen, diesen weißen Korb zu vergrößern und zu stärken. Manchmal fällt es uns schwer, bei einem Menschen, der uns massiv fordert und täglich Ärger und andere Emotionen in uns hervorruft, auch die guten und starken Anteile zu sehen, doch diese sind immer vorhanden und dürfen nicht untergehen.
Das Ergebnis, die Inhalte der Körbe und die festgelegten Konsequenzen, werden im Anschluss an das Kind kommuniziert. Dem Kind wird vermittelt, dass es mit seinen Ressourcen und Inhalten im weißen Korb als Person wertgeschätzt wird und dafür Anerkennung bekommt. Es erfolgt aber auch eine klare Trennung zu unerwünschtem, schädigendem Verhalten, welches mit unserem Wertesystem nicht vereinbar ist.
Das Körbe-Modell kann einerseits schulintern unter Kollegen*innen genutzt werden, ist aber auch sehr hilfreich bei Helfer*innen-Gesprächen und Elterngesprächen, um Transparenz zu erlangen und sich gegenseitig zu stärken. Insbesondere die Einigung auf Konsequenzen, die WIR auf Erwachsenenebene festlegen, ist hilfreich, um sich nicht hilflos Situation ausgeliefert zu fühlen. Die Auseinandersetzung mit unseren Werten hilft auch hier dabei, nicht in den Angriffsmodus zu gehen, sondern zu betonen, was uns wichtig ist und wofür wir einstehen.
Werte entdecken – wertschätzende Selbstfürsorge
Wie bei den beiden soeben vorgestellten Methoden klar wurde, sehe ich die Auseinandersetzung mit meinen persönlichen Werten als grundlegend dafür, in eine wertschätzende Haltung zu kommen. Die Überlegung, was mir wichtig ist, wofür ich einstehen möchte, was ich schützen will, hilft mir dabei, besser zu verstehen, warum manchmal Emotionen in mir auftauchen, die ich nicht erwartet habe. Sobald mir selbst klar wird, warum ich wie reagiere, kann ich auch wieder wertschätzend mit mir umgehen. Nun liegt es natürlich auf der Hand, die Methoden der Achtsamkeit hier anzusprechen und einzuladen, diese auszuprobieren. Bewusst wahrnehmen, innehalten, atmen, zur Ruhe kommen, Meditation hilft dabei, wieder ins Spüren zu kommen, was ich bin und was mich ausmacht. Achtsames Selbstmitgefühl unterstützt uns darin, uns selbst wertschätzend und empathisch zu begegnen.
All diese Methoden kann man erlernen – im Selbststudium oder bei angeleiteten Kursen.
Wer Lust hat, sich auf die Reise zur Entdeckung der Werte zu machen, findet im Internet zahlreiche hilfreiche Übungen. Wer mehr über die Gewaltfreie Kommunikation lernen möchte, kann aus einem breiten Angebot an Büchern, Podcasts, Seminaren sowie Ausbildungen auswählen. Ein Austausch im Team, in der Supervision oder Coaching zum Thema Werte kann sehr bereichernd und hilfreich sein und hilft, nicht nur im Schulalltag leichter und wertschätzender mit mir umgehen.
Woche der Wertschätzung
03.02. - 07.02.2025
Ort: Überall
Wir haben nachgemessen: Du bist großartig
Mach mit bei der Woche der Wertschätzung und zeige deinen Kolleginnen und Kollegen, wie wertvoll sie sind. Die Woche der Wertschätzung ist immer die Woche vor den Semesterferien. Das ist in Tirol und Salzburg ab dem 05.02.2024.
Mehr Informationen zur Woche der Wertschätzung gibt es hier!
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