In den unterschiedlichen künstlerischen Therapieformen, wie z.B. Kunst-, Mal-, Gestaltungs-, Musik-, Tanz-, Drama-, Theater- und Poesietherapie kommen entsprechend ihrer Ausrichtung, auch improvisatorische Aktivitäten wie Singen, Musizieren, Tanzen, Schauspielern, kreatives Schreiben und das Gestalten von kurzen Videos zum Einsatz. Einige Therapierichtungen setzen unterschiedliche Aktivitäten auch im Wechsel ein.
Künstlerische Therapien arbeiten grundsätzlich mit 3 verschiedenen Ansätzen. In der Tiefenpsychologischen Kunsttherapie wird dem seelischen Befinden Ausdruck in der künstlerischen Gestaltung verliehen und anschließend besprochen. Im prozessorientierten Ansatz steht das künstlerische Schaffen im Vordergrund, im rezeptiven Ansatz die Wirkung des Mediums auf den Kunstschaffenden. Allen gemeinsam ist, dass sich die Beziehungsform Klient – Therapeut durch ein künstlerisches Medium erweitert.
Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse aller Art werden von uns als Bilder oder Szenen verinnerlicht. Die Bilder und Szenen werden mit Hilfe der Kunsttherapie wieder im Außen sichtbar gemacht und können so bearbeitet und verändert werden.
Als nonverbale Therapieform ermöglicht die Kunsttherapie auch Menschen, denen der Sprachgebrauch nicht oder nicht mehr zugänglich ist, nicht kommunizierbare Lebenswelten zu erschließen und sich darüber auszutauschen. (vgl. K.-H. Menzen 2013) Das heißt, Kunsttherapie ist eine wunderbare Möglichkeit der Bewältigung, wenn man sprachlich nicht mehr weiterkommt.
Die Kunsttherapie bietet ein unglaublich breites Spektrum zur Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit, dem Zugang zu den eigenen Ressourcen, der Potenzial- und Identitätsentwicklung, der Entfaltung kreativen Denkens und Stabilisierung des Selbstwerts. Dies führt dazu, dass Kunsttherapie nicht nur im klinischen und rehabilitativen Bereich eingesetzt wird, sondern immer mehr auch im sozialen und pädagogischen Kontext Eingang findet.
Kunsttherapie als therapeutisches Angebot dient der Aufarbeitung und Bewältigung schwieriger Situationen. Durch den Einsatz der kreativen Methoden im Unterricht wird persönliche Entwicklung gefördert. Kunsttherapie unterstützt den im Lehrplan verankerten Erwerb von Kommunikationsfähigkeit, Sozialkompetenz, Konfliktfähigkeit, Selbstfindung, Selbstsicherheit, selbständiges Denken und kritische Reflexion.
Kunsttherapeutisches Angebot an Schulen
Praxisbeispiel HS Gabelsbergerstraße1
Die Pädagogin und Mal- und Gestaltungstherapeutin, Verena Sieber begleitete in einem Zeitraum von 2 Jahren eine 4. Klasse der HS Gabelsbergerstraße (Anm. d. R.: Ersterscheinung des Beitrags war im Jahr 2017).
Der Anlass für das kunsttherapeutische Projekt „Herzensbildung“ waren frühe Stresserfahrung, verminderte Aufmerksamkeit und eingeschränkte Affekt- und Selbstregulation der Schüler.
Zunächst diente der Gestaltungsprozess als Ventil, um den inneren Druck schrittweise abzubauen. Das angebotene Material wie Ton und Speckstein forderte das Einlassen und die Konzentration auf das Werk und führte zu mehr Ruhe in der Klasse. Vielfältige Angebote bewirkten neue Erlebnisinhalte, ließen Ressourcen erkennen und förderten Potenziale. Die wert- und vorurteilsfreie Gestaltung unterstützte den therapeutischen Prozess, Vertrauen wurde gefasst, die Schüler begannen sich zu öffnen und über bewegende Themen zu sprechen.
Wo die Sprache für den persönlichen Ausdruck unzureichend war, kamen Ausdrucksmöglichkeiten wie Musik, Tanz und Theater zum Einsatz. Fotografie und Videoaufnahmen wurden in den Prozess miteinbezogen. Das Arbeiten in Groß- und Kleingruppen und das wertfreie Gestalten, führte zu Erfolgserlebnissen, erhöhtem Selbstvertrauen und zur Steigerung von Selbst- und Sozialkompetenz der Schüler.
Der Vorteil des Angebotes einer extern beauftragten Kunsttherapeutin ist, dass die Schüler einen wertfreien Dialog führen können. Ein eigenes Atelier innerhalb der Schule und das Angebot von Kunsttherapie bietet eine Reihe von unterstützenden Maßnahmen im Schulalltag. Eine Zusammenarbeit von Klassen-, Beratungs-, bzw. Vertrauenslehrern, sowie von Sozialarbeitern und Kunsttherapeuten in einem multiprofessionellen Team, ermöglicht eine Perspektivenerweiterung und führt zur Entlastung von Schülern und Pädagogen. Leider scheitert das Potenzial der Kunsttherapie als Präventionsangebot oft an der Finanzierung.
Praxisbeispiel der VS Sistrans
Das 2. Praxisbeispiel findet an der VS Sistrans statt, die vom Bundesministerium für Bildung und Frauen für die Bemühungen um die Kreativitätsförderung, 2015 einen Preis erhalten hat. Die Pädagoginnen und ausgebildeten Kunsttherapeutinnen VDin Martina Hinterseer-Krause und Doris Hakl-Oberleiter erweitern und unterstützen mit kunsttherapeutischen Methoden ihren pädagogischen Auftrag. Die VS Sistrans hat den Schulschwerpunkt „Kreativitätsförderung“.2
Kreativität ist dabei mehr als handwerkliches Geschick– es geht auch um kreatives Denken und Handeln. In der Allgemeinen Unterrichtsarbeit - im Rahmen des personalisierten Lernens, findet die Kunsttherapie zur Förderung der Selbst- und Fremdwahrnehmung, Ressourcenarbeit, Konfliktbearbeitung ihren Einsatz, im Rahmen des Zeichen- und Werkunterrichts zur Kreativitätsförderung. Kenntnisse im Bereich der Kinderzeichnung unterstützen die Pädagogen, wenn es darum geht, sich ein umfassenderes Bild des Entwicklungsstandes eines Kindes zu verschaffen.
An der Schule gibt es monatliche Atelierstunden. In altersgemischten Gruppen arbeiten die Kinder einmal pro Monat in verschiedenen Ateliers. Ein Atelier wird von einer Lehrperson geleitet und soll den Schüler*innen unterschiedliche Möglichkeiten des persönlichen Ausdrucks näherbringen (Musik, Tanz, Kunst, Bewegung, Impro-Theater…).
Zudem gibt es Kreativtage. An den Kreativtagen wird den Kindern die Möglichkeit geboten, in eine frei gewählte gestalterische Ausdrucksform intensiver einzutauchen. Begleitet werden sie dabei von Kunstschaffenden, Kunsttherapeuten und Lehrern. Siebdruck, Holzbearbeitung, Schrottkunst, Marionettenbau… sind nur einige Angebote. Es besteht die Möglichkeit bei Atelierstunden zu hospitieren.
Ergebnisse sind erhöhte kreative Fähigkeiten im Denken und Handeln der Schüle. Die Reflexionsfähigkeit der Schüler ist deutlich erhöht, Co-kreative Prozesse fördern das gemeinschaftliche Tun und altersübergreifende Freundschaften, ein gestärktes Gemeinschaftsgefühl ist deutlich spürbar. Kinder mit Förderbedarf im Bereich der Körperwahrnehmung, Grob- und Feinmotorik machen schnellere Fortschritte. Schwierige Themen im Bereich der Konfliktbewältigung können von allen Beteiligten leichter erfasst und bearbeitet werden. Kinder mit auffälligem Sozialverhalten finden einen nonverbalen Ausdruck. (vgl. Auszug aus einem Interview mit VDin Martina Hinterseer-Krause)
Zusammenfassend:
Die Kunsttherapie hat sowohl eine heilende, als auch eine pädagogische Wirkung. Durch den Einsatz unterschiedlicher Materialien und Methoden erfolgt Entlastung und es werden spielerisch neue Einsichten, Regeln und Bearbeitungsmöglichkeiten erfahren, die sich in den Lebensbereichen Alltag, Familie und Schule wiederspiegeln. Neben dem rehabilitativen Charakter beinhaltet die Kunsttherapie auch einen hohen präventiven Anteil.
Wer künstlerisch formt, formt sich selbst.
Henry Schaefer-Simmern
Literatur:
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Interview mit VDin Martina Hinterseer-Krause am 21.08.2017, Schulleitung, VS Sistrans, www.vs-sistrans.tsn.at
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Menzen, Karl-Heinz (2013): Kunsttherapie in der sozialen Arbeit. Indikationen und Arbeitsfelder, Dortmund: Verlag modernes Lernen
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Sieber Verena, Diplomarbeit 1, 20.2.2006: Kunsttherapeutische Ansätze Bildnerischer Erziehung, Pädagogische Akademie des Bundes Tirol,
Diplomarbeit 2, 7.6.2010: Herzensbildung, MGT – Mal- u. Gestaltungstherapie mit einer Hauptschulklasse -
AUFLEBEN.online Tipp: Kreatives Tun beruhigt den Geist von Martina Hinterseer-Krause
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Institut für Kunsttherapie und Lebensberatung von Renate Waas
Zum Wiederlesen:
1; 2 Dieser Beitrag wurde das erste Mal in der AUFLEBEN Ausgabe 2017/4 veröffentlicht.
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