Mentorin gibt Tipps für Junglehrer*innen

Liebe Junglehrerinnen und liebe Junglehrer!

Als Mentorin und Coach begleite ich seit Jahren neue Kolleginnen und Kollegen, die sich in ihrem ersten Dienstjahr befinden und professionelle Unterstützung brauchen. Mit praktischen Tipps und hilfreichen Informationen versuche ich, ihren Unterrichtsalltag zu erleichtern. Denn auch wenn aller Anfang schwer ist, kann das erste Dienstjahr besonders herausfordernd sein, vor allem weil Schulen ein äußerst komplexes System darstellen, das nicht immer übersichtlich und transparent ist.

Vielfältig ist aber nicht nur das Schulsystem, sondern auch die Lehrtätigkeit. Einerseits ergibt sich diese Komplexität aus der Aufgabenvielfalt, die sowohl in der Unterrichts- und Erziehungsarbeit als auch im regelmäßigen Korrespondieren, Dokumentieren, Planen, Organisieren, Koordinieren, Evaluieren und Leiten liegt, andererseits aus der Notwendigkeit, all diese Aspekte gleichzeitig zu managen und in Einklang zu bringen, um den bestmöglichen Lernerfolg zu gewährleisten.

So gesehen stehen die Lehrtätigkeit und die Kommunikationsfähigkeit im engen Zusammenhang, da effektives Lehren stark von der Qualität der Kommunikation abhängt. Die Fähigkeit, nach innen und außen zu kommunizieren, spielt somit die zentrale Rolle im Lehrberuf. Unter Kommunikation nach innen ist der interne Austausch innerhalb einer Bildungseinrichtung, also zwischen Lehrkräften, der Schulleitung oder anderen Mitarbeitenden zu verstehen.

Kollegiale Beratung und Teamarbeit können in dieser Hinsicht besonders hilfreich sein, weil sie den Lehrer*innen die Gelegenheit bieten, über ihre eigene Praxis nachzudenken. Dies kann weiterhin durch Tagebücher, Reflexionsbögen, Supervision, Coaching, Mentoring oder diverse Fort- und Weiterbildungen unterstützt werden.
Die Kommunikation nach außen dagegen bezieht sich auf die Interaktion der Lehrkräfte mit externen Akteuren*innen wie Eltern, Schulbehörden, externen Partner*innen und der breiten Öffentlichkeit. Essenziell für die Lehrtätigkeit ist allerdings die Schüler*innenkommunikation, die zum einen ein positives und vertrauensvolles Lernklima in der Klasse und zum anderen das Wohlbefinden aller Beteiligten am Lernprozess fördert. 

Beziehungsarbeit und Kommunikation

Laut Bildungsministerium umfasst Mentoring Aufgaben wie Beratung bei der Planung und Gestaltung des Unterrichts, gemeinsame Analyse und Reflexion in Unterricht und Erziehung, Unterstützung in der beruflichen Entwicklung sowie Einführung in die Spezifika und aktuelle Schwerpunkte des Schulstandorts1. Als Mentorin versuche ich in meiner Arbeit mit Mentees, die vorgegebenen Richtlinien einzuhalten, indem ich besonderen Wert auf Beziehungsarbeit und Kommunikation lege.

Da Theorie und Praxis aber oft Brücken schlagen, bieten Mentoren*innen ihren Mentees im ersten Dienstjahr die Möglichkeit eines angeleiteten Reflexionsgesprächs an. Durch regelmäßigen Austausch können blinde Flecken identifiziert und alternative Handlungsmöglichkeiten entwickelt werden.
Um das Eis zu brechen und einen zwangslosen und ergebnisreichen Austausch anzuregen, erzähle ich meinen Mentees gerne ein paar Anekdoten aus meiner Praxis. Meistens sind es genau die Themen, die sie beschäftigen, wie Disziplin in der Klasse, Grenzen setzen, Inklusion, Stressmanagement, Lehrplan oder Elternarbeit. Ob sich die Mentees Notizen machen, mit konkreten Fragen und Anliegen oder durch ein angeleitetes Gespräch auf den Punkt kommen, ist letztlich irrelevant.

Wichtig ist, dass das Mentoring verschiedene Werkzeuge, Techniken und Methoden zur beruflichen Weiterentwicklung bereitstellt und zur Selbstreflexion animiert. Die Selbstreflexion spielt nämlich eine bedeutende Rolle im Lehrberuf, unter anderem, weil sie den Lehrenden hilft, ihre eigenen Emotionen zu verstehen und zu regulieren, ihre Stressquellen zu identifizieren und Strategien zur Bewältigung zu entwickeln. Weiterhin können Lehrende durch Selbstreflexion das Feedback von ihren Kollegen*innen, Vorgesetzten und Lernenden effektiver nutzen. Sie regt Lehrende aber auch dazu an, neue Ideen und Methoden auszuprobieren. 

Handbuch von Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung 2014/25

Selbstreflexion zur Rollenfindung

Da die Selbstreflexion eng mit der Rollenfindung verbunden ist, werden meine Mentees gebeten, sich ihre Lehrer*innenrolle genau zu überlegen.

Diese aufregende und kreative Aufgabe soll den Mentees helfen, sich in ihrer neuen Rolle schneller zurechtzufinden und die Trennung ihrer Person von der Rolle leichter zu schaffen. Anbei einige Fragen zu den wichtigsten Aspekten der  Rollenfindung: 

  • Definiere deinen Lehrtyp 
    Was für ein*e Lehre*in möchte ich sein?
    mein Zugang – streng, autoritär, locker, einfühlsam/strukturiert, gut organisiert, spontan etc.
    meine Methoden – traditionell, individuell, kreativ, kooperativ, projektorientiert etc.
    Kommunikation – Sprachregister, Körpersprache, Auftritt und persönlicher Stil etc. .
  • Deine Prioritäten
    Ziele, interne Vereinbarungen, wichtigste Regeln und Konsequenzen 
  • Definiere deine Grenzen
    Dos und Don’ts 
  • Deine Konfliktstrategien
    Wie reagiere ich in verschiedenen Konfliktsituationen? 
  • Deine Lösungsansätze/dein Krisenmanagement – Was frustriert mich in der Arbeit?       
    Wie gehe ich mit der Frustration um?
  • Deine Abwehrstrategien
    Was stresst mich in der Arbeit? Wie gehe ich mit Stress um?                                
    Wie wirkt sich Stress auf meine Arbeit und mein persönliches Wohlbefinden aus?
  • Definiere dein Fehlermanagement
    Wie gehe ich mit Fehlern um? 

Tipp: Zu diesem Thema gibt es zahlreiche Online-Tests und Selbstbewertungsbögen, die sehr empfehlenswert sind. Dazu bietet die Pädagogische Hochschule Wien ganzjährlich Online-Coachings für Junglehrer*innen an.

Bei der Rollenfindung steht der persönliche Aspekt im Fokus, bzw. die klare Trennung zwischen der Person und der Rolle, oder dem privaten und dem beruflichen Ich. Dabei ist es sehr wichtig, dass wir unsere Grenzen klar kommunizieren. Ein Beispiel für Grenzen setzen und kommunizieren ist der Kontakt zwischen den Lehrenden und den Eltern. Die Lehrenden sollten die zeitlichen Rahmenbedingungen für den Kontakt festlegen und drauf insistieren, dass diese auch eingehalten werden. Schließlich arbeiten Lehrer*innen nicht rund um die Uhr und haben das Recht auf ihre Privatsphäre! Weiterhin sorgt eine möglichst klare Trennung von sowohl Arbeitszeit und Freizeit als auch von Arbeitsplatz und Wohnbereich für eine ausgewogene Work-Life-Balance. Letztendlich gehört „Nein“ zu sagen zur reflektierten Kommunikation und Psychohygiene. 

Da die Selbstreflexion eng mit der Rollenfindung verbunden ist, werden meine Mentees gebeten, sich ihre Lehrer*innenrolle genau zu überlegen.
 

Daher kann das Mentoring sowohl für die Mentees als auch für die Mentor*innen selbst sehr vorteilhaft sein, weil es unter anderem die Möglichkeit eines interessanten Perspektivenwechsels anbietet. Gerade deswegen genieße ich das Coaching und Mentoring so sehr! Schließlich sind die vielen verschiedenen Meinungen, spannenden Bemerkungen und konstruktiven Kritikpunkte der jungen Kolleg:innen wichtige Wegweiser für die Schule der Zukunft. Denn nur wenn wir für unsere jungen Kolleg:innen stets ein offenes Ohr haben, kann der Lehrberuf (endlich!) attraktiver gemacht werden.

Liebe Junglehrer*innen, seid authentisch und bleibt offen für Neues.
Ich wünsche euch noch viel Erfolg in eurer Arbeit!
 

Danke für den Beitrag

Dieser Beitrag wurde in der Wiener LehrerINNENZeitung (2. Ausgabe 2024) erstveröffentlicht.
Wir bedanken uns sehr herzlich der Christlichen Lehrerschaft Wiens (CLW) und bei der Autorin Petra Vujović, dass dieser Beitrag auch auf AUFLEBEN.online erscheinen kann. 

Petra Vujović
Petra Vujović Mag.

Petra Vujović ist Sonderschullehrerin, Mentorin und Coach. Derzeit arbeitet sie in einem Sonderpädagogischen Zentrum (SZ 12) in Wien und am Institut für Schulentwicklung, Leadership und Praxisschulen an der Pädagogsichen Hochschule. Sie hat eine akademische Ausbildung in Germanistik (Schwerpunkt DaF/DaZ)und Ukrainistik und Mentoring abgeschlossen.

Dieser Artikel erscheint unter Creative Commons, BY-NC-ND.

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