HUMOR als Ressource in der Pädagogik

Dieser Artikel gibt einen Überblick über die belegten positiven Möglichkeiten des Humors als didaktisches Mittel im Unterricht. Dabei geht es nicht darum, dass sich Lehrende als Clown oder als „Witzeklopfer“ demonstrieren. Vielmehr geht es um den jenen Humor, der, den Unterrichtsstoff aufzulockern vermag und – wie belegt – den größten Lerneffekt bei den Lernenden erzielt.

Humor in der Pädagogik stellt eine hohe soziale Kompetenz der Lehrenden im Unterricht dar. Wie die erwähnten Studienergebnisse belegen, fördert der Einsatz von Humor auch das Teamgefühl und ist der Arbeitsmotivation förderlich.

Humor bis zum Abwinken? Mitnichten.
Es werden auch Grenzen des Humors in der Pädagogik aufgezeigt.

"Der Ernst des Lebens"

Häufig vernehmen Kinder vor ihrem Schuleintritt: „Mit der Schule beginnt der Ernst des Lebens.“ Diese Aussage verdeutlicht, dass Humor und Lachen im pädagogischen Feld noch immer nicht Einzug gehalten haben und der „Ernst“ dem Humor entgegensteht.

Die am 02.01.2023 erschienenen neuen Lehrpläne in Österreich für die Primarstufe und Sekundarstufe I fokussieren auf die unterschiedlichen Kompetenzen und zielen auf die Entwicklung jener fachlichen und überfachlichen Kompetenzen ab, die für eine selbstbestimmte und erfolgreiche Lebensgestaltung wesentlich sind. Von Humorkompetenz ist leider nichts zu finden.

Das empfinde ich als sehr bedauerlich, da Humor im pädagogischen Feld eine „ernste Sache“ ist. Wie der Psychiater Dr. Hirsch (S. 166) postuliert, geht es dabei um empathische Wissensvermittlung, die Schüler*innen motiviert und zu kreativem Denken anregt.

Die frühe Studie zu Humor von Rißland im Jahre 2002 (vgl. Hirsch, R. D., S. 166) konnte bereits belegen, dass der Einsatz von Humor im Unterricht zu einem angstfreien Klassenklima führt, das Aggressions- und Konfliktpotential verringert und letztendlich der Klassenzusammenhalt eine Verbesserung erfährt.

Außerdem konnte durch humorvolle Interventionen der Lehrperson eine erhöhte Aufmerksamkeit bei Schüler*innen nachgewiesen werden, wobei gleichzeitig Lernprozesse, Kreativität und divergentes Denken gefördert werden sowie Schulleistungen sich verbessern und Mobbing (Bullying im Volksschulalter) verringert wird (vgl. Hirsch, R. D., S. 167).

Als ehemalige Schulleiterin einer Grundschule setzten mein ehemaliges Team und ich ein Gewaltpräventionsprojekt (Buddy-Projekt) um, und ich übernahm den ergänzenden Part, die Kinder im neuen Unterrichtsfach (Unverbindliche Übungen) „Gesund durch Lachen“ (als Lachyoga-Gruppenleiterin und Theaterpädagogin) zu begleiten, indem ich Lachyoga-Übungen mit Theaterpädagogik kombinierte. Dabei konnte ich erfreulicherweise tatsächlich eine Abnahme des Aggressionspotentials wahrnehmen.

Meist sollte es darum gehen, durch Humor den Ernst der Schule aufzulockern.
Humor unter Kindern bietet großartige Chancen, Kompetenzreserven und Entwicklungschancen, v. a. für das soziale Lernen.

Im Jahre 2003 konnte eine Studie des deutschen Erziehungswissenschaftlers Dr. Neuß (vgl. Hirsch, R. D., S. 171) nachweisen, worüber Grundschulkinder lachen:

  • Spiel mit Sprache und Bedeutung (komische Bezeichnungen,
  • Wort- und Sprachspiele, Scherzfragen,
  • Umkehrungen,
  • Übertreibungen und Übertriebenes wörtlich nehmen),
  • Problemlösungen in Konflikten,
  • Spielen von Streichen,
  • Rollenspiele (sich freuen und gemeinsam lachen über eigene oder fremde verrückte Ideen).

Humor unter Kindern bietet großartige Chancen, Kompetenzreserven und Entwicklungschancen, v. a. für das soziale Lernen.

Humor als soziale Kompetenz

Wie bereits erwähnt, beeinflusst ein humorvolles Verhalten der Lehrenden das Lernklima positiv und somit stellt Humor von Lehrenden eine hohe soziale Kompetenz dar.

Welche Art von Humor ist nun dem Lernen förderlich?

Ein Forscherteam mit Dr. Bieg, der Fakultät für Psychologie an der Uni-Augsburg hat vier unterschiedliche Arten des Lehrer*innen-Humors herausgearbeitet:

  • den mit dem Lerngegenstand direkt verknüpften,
  • den ohne Bezug zum Lerngegenstand,
  • den selbstabwertenden und
  • den aggressiven Humor.

Diese Forschung bestätigt, dass lerngegenstandsbezogener Humor die größten Lerneffekte bei Schüler*innen bewirkte. Das können beispielsweise lustige Anekdoten sein, die zum Unterrichtsstoff passen oder man verortet themenbezogenen Humor in Aufgabenstellungen. Auch der Einsatz von humorvollem Lehrmaterial (Cartoons, Bilder, Videoclips), Wortspielen oder Quiz (z. B. lustige Reime) ermöglichen den Einsatz des gegenstandsbezogenen Humors.

Ein Beispiel für eine Verknüpfung mit dem Lernstoff wäre der Einsatz eines Comic-Bildes aus „Asterix und Obelix“, um in einer Latein-Unterrichtsstunde den „Genetivus subjectivus“ zu erarbeiten. Asterix und Obelix bieten sich häufig an, einen Satz oder ein Zitat zu verwenden, um wissenschaftlichen Lernstoff mit einem lustigen Moment zu verbinden.

Kann man den eigenen Sinn für Humor stärken? Die Humor-Forscher*innen sind sich einig, dass dies möglich ist, wobei Achtsamkeit ein wichtiger emotionaler Partner für den Humor darstellt, da man sich im Hier und Jetzt befindet.

 

Humor und Achtsamkeit im Schulalltag

Um humorvoll zu sein, muss ich im Hier und Jetzt sein.

  • Humortraining ist Achtsamkeitstraining
  • Lachen kann eine emotionale Heimat darstellen
  • Achtsames Wahrnehmen verhilft zu Entspannung (vgl. Gaudo, F., Kaiser & M., S. 88).

An dieser Stelle fällt mir ein Zitat von Friedrich Schiller ein: „Nicht in die ferne Zeit verliere dich! Den Augenblick ergreife! Der ist dein.“ 

Erfahrungsgemäß ist das Erleben von Achtsamkeit für Lehrer:innen häufig nicht so einfach, da sie mit ihrem vielfältigen Aufgabenbereich verständlicherweise bereits häufig mit ihren zukünftigen Aufgaben, wie beispielsweise dem Anfertigen von Kopien, dem Gespräch mit dem Kollegen oder mit einem Elternteil, gedanklich beschäftigt sind.

Diese Ausführungen zur Verwandtschaft von Humor und Achtsamkeit verdeutlichen, dass Humor als Haltung nicht mit dem Besuch eines einzigen Humor-Workshops erreicht werden kann, sondern auch hier heißt es „üben, üben, üben“!

Nachdem die Ressource Humor bei jedem Menschen angelegt ist, aber nicht von jedem Menschen genutzt wird, möchte ich einige Tipps verraten, wie man seine Humorhaltung fördern kann:

Es ist ratsam, sich täglich eine „Humordosis“ aus professioneller Quelle zu verabreichen, wie beispielsweise:

  • Lustige Filme
  • Cartoons
  • Führen eines Humortagebuches, in dem Sie für sich lustige Witze und eigene Erlebnisse notieren.

Je öfter Sie die „Humorbrille“ aufsetzen, umso eher verbessert sich Ihre Humorhaltung und Ihre humorvollen Einfälle für den Unterricht ergeben sich leichter (vgl. Gauda, F. & Kaiser M., S. 88).

 

Humor in Teams

Es gilt als erwiesen, dass humorvolle Kommunikation zu einer offenen Kommunikation führt, die Spannungen abbaut und den Teamgeist stärkt, die Gleichwertigkeit von Kollegen:innen begünstigt und zur Konfliktbewältigung beiträgt (vgl. Hirsch, R. D., S. 167).

Humor fördert nicht nur die Kommunikation und das Teamgefühl, sondern auch die Kreativität und die Freude am Scheitern – alles wichtige Aspekte für erfolgreiche Teams! Ein Team, das miteinander lachen kann, ist erwiesenermaßen auch offener und kreativer in der Lösung von Konflikten.

Aus der Studie von Schinzilarz. und Friedli geht eindeutig hervor, dass Teams mit einer humorvollen Haltung eine höhere Leistungsbereitschaft und verbesserte Arbeitsqualität aufweisen (vgl. Friedi, Ch.  & Schinzilarz, C., S. 281).

Trotz der positiven Studienergebnisse zum Einsatz von Humor im Unterricht ergeben sich auch Grenzen des Humors in der Pädagogik.

 

Grenzen des Humors in der Pädagogik

Nachdem Humor emotional und nicht auf Knopfdruck möglich ist, sondern spontan aus der Situation entsteht, bedarf es großer Empathie der Pädagogen*innen gegenüber ihrer Zielgruppe. Das bedeutet, dass beim Einsatz von Humor als didaktisches Mittel große Behutsamkeit erforderlich ist. „Witzeklopfer“ wie „Pausenclowns“ sind demnach fehl am Platz.

Es geht vielmehr darum, einen Humor auf Augenhöhe des Kindes zu entwickeln – dies stellt eine elementare pädagogische Schlüsselkompetenz dar.

Einen sehr delikaten „Drahtseilakt“ machen Eltern und Pädagogen*innen bei der Anwendung von Ironie und SarkasmusS.

Die Erziehungswissenschaftlerin Dr. Liebertz sieht drei Gefahren beim Einsatz von Humor im Unterricht:

 

Gefahren beim Einsatz von Humor

Mangelnde Kenntnis über die Humorentwicklung des Kindes

Pädagogen*innen und Eltern setzen manches Mal Ironie ein, ohne zu bedenken, dass ein Kind Ironie nicht versteht. Erst im Alter von 6-8 Jahren beginnt ein Kind allmählich, den nicht wörtlich gemeinten Sinn der ironischen Aussage zu verstehen.

Forscher wie der Entwicklungspsychologe Helmers (1971) setzen das Alter für Ironie-Verständnis mit 19 Jahren an.

Mangelnde wertschätzende Grundhaltung gegenüber dem Kind

Unverhältnismäßig hoher Humoreinsatz (vgl. Liebertz, Ch., S. 130)

Um abschließend den Bogen zum Beginn meines Artikels zu spannen, wäre es – aufgrund der positiv belegten Auswirkungen von Humor – wünschenswert, den Humor ernsthaft im Unterricht einzusetzen.

Allerdings schließe ich mich der Forscherin Dr. Bieg an, die meint: „Auch Lehrer*innen, die den Humor im Unterricht nicht einsetzen, können selbstverständlich sehr gute Lehrer*innen sein.“

Nur brächte der Einsatz von Humor die „Würze“ und vielleicht auch für Schüler*innen und Lehrer*innen noch mehr Freude in den Schulalltag!

 

Verwendete Literatur

Hirsch, Rolf Dieter: Das Humor-Buch. Die Kunst des Perspektivenwechsels in Theorie und Praxis. 2019. Schattauer-Verlag. Stuttgart.

Gaudo, Felix & Kaiser, Marion: Lachend lernen. Humortechniken für den Unterricht.2018. Beltz-Verlag. Weinheim und Basel.

Liebertz, Charmaine: Das Schatzbuch des Lachens. Grundlagen, Methoden und Spiele für eine Erziehung mit Herz und Humor. 2016. Burckhardthaus. München.

Schinzilarz, Cornelia & Friedli, Charlotte: Humor in Coaching, Beratung und Training. 2013. Beltz-Verlag. Weinheim-Basel.

 

Internet-Quellen

Alexandria Bott
Alexandria Bott Mag.

Mag. Alexandria Bott ist Hochschuldoziernde und Erziehungswissenschaflterin an der Pädagogischen Hochschule Tirol. Ihr ist es ein Anliegen mit Humor den Ernst der Schule aufzulockern.

Dieser Artikel erscheint unter Creative Commons, BY-NC-ND.

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