Erschöpfte Mütter - ein Rückblick auf die Tagung "MutterNacht" (1)

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Am 10. Mai 2023 hat im Haus der Begegnung die Tagung "MutterNacht - Erschöpfte Mütter" stattgefunden. „Erschöpfte Mütter? Ja, da kenne ich eine – da muss ich hin“, dachte ich und meldete mich sogleich zur Tagung an. Es erwarteten mich zwei erkenntnisreiche und spannende Vorträge.
 

Nachlese zum Vortrag von Dr. Franziska Schutzbach (Geschlechterforscherin und Soziologin)

Die Tagung „MutterNacht" widmete sich dem Thema der erschöpften Mutterschaft, das laut Dr. Schutzbach nicht nur auf familiärer Ebene relevant ist, sondern tief in den gesellschaftlichen Strukturen verankert ist.
Dr. Schutzbach betont in ihren Ausführungen, dass sich das Bild der Frau in unserer Gesellschaft stark gewandelt hat, und im Zusammenhang mit dem Begriff der Emanzipation entstand eine Erwartungshaltung, die von Perfektion gekennzeichnet ist. Die Frau von heute nimmt ihr Leben aktiv selbst in die Hand, sie ist stark, sexy, selbstbewusst, schlau, schlank, sexuell aktiv, ökonomisch unabhängig, erfolgreich, leistungsstark – gleichzeitig aber auch lieb sowie sozial und somit nach wie vor für die traditionelle Rolle als Pflegerin der Bedürfnisse anderer zuständig. Ergo, die Frau von heute kann alles, soll aber auch alles – diese neue weibliche Lebensrealität und ständige weibliche Verfügbarkeit ist laut Schutzbach die Grundlage für die Erschöpfung der Frauen. 

Neben ihrer emanzipierten Rolle sind die Versorgung und Pflege von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen in unserer Gesellschaft oft ausschließlich der Mutter zugeordnet. Da es weit verbreitet ist anzunehmen, dass die Mutter diese Aufgaben aus Liebe ohnehin erledigt, bleibt diese Arbeit darüber hinaus häufig unbezahlt und unsichtbar. 

Dieses Prinzip der unbezahlten Pflegearbeit bildet die Grundlage unserer kapitalistischen Marktwirtschaft, in der unbezahlte oder schlecht bezahlte Care-Arbeit den Kern des sogenannten Fortschritts bildet. Insbesondere in Krisenzeiten führt dieses System zu einer Schieflage aus Ungleichheit und Ungerechtigkeiten. Erst jüngst hat uns die Covid-19-Krise deutlich gezeigt, wie Überbelastungen in körperlichen und psychischen Erkrankungen wie Burnout resultieren können und somit das Gefüge von Familie und Gesellschaft erheblich ins Wanken bringen.

Eine Mutter hat ihr einjähriges Kind am Arm. Das Kind hat den Kopf auf ihre Schulter gelegt und ist eingeschlafen.

Ein faszinierender und zugleich amüsanter Fakt, den Dr. Schutzbach beleuchtet, besteht darin, dass der schottische Ökonom Adam Smith, der oft als Vorreiter der modernen Marktwirtschaft betrachtet wird, in seinen Theorien die Fürsorgearbeit mit keinem Wort erwähnt oder honoriert hat. Dies wirft besonders ironische Schatten, wenn man bedenkt, dass Smith sein gesamtes Leben bei seiner Mutter verbracht hat.

Die gute Nachricht: Ökonomische Modelle als Lösungsansatz existieren bereits. Sie zielen darauf ab, diese Ungleichgewichte auszugleichen. Eine mögliche Maßnahme besteht beispielsweise in der Verkürzung der Wochenarbeitszeit, um beiden Elternteilen die Möglichkeit zu geben, gleichermaßen Zeit für berufliche Tätigkeiten und die Betreuung der Familie aufzubringen. Eine gerechte Verteilung von Care-Arbeit könnte somit erreicht werden. Insgesamt sind diese Überlegungen Teil eines notwendigen Diskurses darüber, wie wir als Gesellschaft den gestiegenen Anforderungen an Mütter gerecht werden können. 

In ihrem Schlusswort malt Schutzbach ein eindringliches Bild von Mutterschaft als Ausbeutung weiblicher Verfügbarkeit und betonte die Problematik eines Systems, das einseitig nimmt, ohne entsprechend zurückzugeben. Diese Darstellung lässt sich in einen größeren Kontext setzen, indem wir als Gesellschaft nicht nur die weibliche Pflegearbeit, sondern auch auf einer erweiterten Ebene Mutter Natur ausbeuten, insbesondere im Hinblick auf Nachhaltigkeit. In beiden Fällen nehmen wir Ressourcen in Anspruch, ohne ausreichend auf deren Begrenztheit oder die Notwendigkeit eines ausgewogenen Gebens und Nehmens zu achten.

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Mehrteiliger Beitrag

Erschöpfte Mütter - ein Rückblick auf die Tagung MutterNacht (2). Nachlese zum MutterNacht- Vortrag von Yvonne Bovermann

Marlene Möltner-Pfeiffer
Marlene Möltner-Pfeiffer DI (FH)

Marlene Möltner-Pfeiffer ist im Katholischen Bildungswerk in der Abteilung "fit for family" verantwortlich für das Elternbildungsprogramm.

Dieser Artikel erscheint unter Creative Commons, BY-NC-SA.

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