Sterben und Tod gehören zum Leben

Sterben und Tod gehören zum Leben.
Trotzdem wird das Sterben und der Tod in unserer Gesellschaft nicht gerne angesprochen.

Sterben und Tod gehören zum Leben.
Diesen Satz hören wir immer wieder oder verwenden ihn sogar selbst. Doch sind wir vorbereitet, wenn folgende Fragen uns gestellt werden bzw. wir sie uns selbst stellen?

  • Wohin kommt der Opa, wenn er gestorben ist?
  • Warum verbrennen wir tote Menschen?                                                                        
  • Warum hat meine Tante Krebs?
  • Ist nach dem Tod alles vorbei?
  • Warum gibt es Krankheiten, die nicht geheilt werden können?
  • Warum macht mich der liebe Gott nicht wieder gesund? 
  • Wenn ich nur noch einen Tag zu leben hätte, was würde ich machen?
  • Bin ich für den „Notfall“ gerüstet – habe ich eine Patientenverfügung?
  • Habe ich mein Testament schon geschrieben?
  • Schaffe ich es, mit meinen Eltern darüber zu reden, wie sie sich ihr Sterben vorstellen bzw. was sie sich wünschen würden.
  • Jeder Tag kann mein letzter sein – lebe ich mein Leben auch so?
Herbstliche Laubbäume mit roten, gelben und grünen Blättern stehen am Ufer eines Sees oder eines Flusses und spiegeln sich auf der glatten Wasseroberfläche.

Fragen, die von außen gestellt wurden

Bei mir waren es genau solche Fragen, die mir von außen gestellt wurden. Und zwischendurch habe ich sie mir selbst auch immer wieder gestellt. Die Antworten darauf fielen mir teilweise sehr schwer und so merkte ich, dass ich mich mit diesem Thema wohl noch mehr auseinandersetzen muss. Ich entschied mich deshalb schon vor vielen Jahren, die Ausbildung „Lebe-, Sterbe- und Trauerbegleitung“ der Caritas zu absolvieren. Neben theoretischem Hintergrundwissen und vielen praktischen Inputs stand bei dieser Ausbildung vor allem die Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben, den eigenen Gedanken, Ängsten und Hoffnungen im Umgang mit Sterben und Tod im Vordergrund. Dies war für mich sehr herausfordernd und hat mein weiteres Leben sehr geprägt.
Seither habe ich einiges erlebt, das mich geprägt und Auswirkungen auf meine Arbeit und mein privates Leben hatte und hat.

  •  Ich konnte meine Schwiegermutter bis zu ihrem letzten Atemzug zu Hause begleiten. Ich bin ihr zutiefst dankbar für das Vertrauen, das sie mir entgegenbrachte, als sie entschied sich auf ihrem letzten Weg von mir begleiten zu lassen. Dies war wohl das größte Geschenk, das sie mir machen konnte. Auch wenn es auf diesem Weg viele schwierige Situationen gab, so überwiegen im Rückblick doch sehr viele schöne, vor allem tiefe und prägende Momente.
     
  • Auch in meinem beruflichen Umfeld begleitet mich diese Thematik durch das Jahr: rund um Allerheiligen gestalten wir verschiedene Stationen im Haus, bei denen sowohl Schüler*innen als auch Erwachsene sich mit den Themen Abschied, Trauer und Tod beschäftigen.
     
  • Wir haben in unserer Einrichtung eine Trauerbox. Wenn ein*e Mitarbeiter*in, ein*e Schüler*in, ein*e Angehörige*r oder eine andere Bezugsperson stirbt, wird diese Box geholt. Darin befindet sich alles, was man für ein Abschiedsritual in der Klasse braucht. Die Planung eines möglichen Ablaufes, weiterführende Ideen, Bilderbücher und vieles mehr sollten den Mitarbeiter*innen nützlich sein. Bei konkretem Interesse bitte ich um Kontaktaufnahme per Mail: ma.neuner@tsn.at
     
  • Seit 1,5 Jahren bin ich ehrenamtliche Hospizbegleiterin und darf dort Menschen in den unterschiedlichen Situationen begleiten. Von Menschen in schwierigen Situationen kann ich oft Optimismus, Zufriedenheit und Dankbarkeit lernen. Auch ihr Hadern und Kämpfen mit den verschiedenen Schicksalen hat mein Leben geprägt. Am meisten beeindruckt mich jedoch die Offenheit und Klarheit, die gerade bei älteren Menschen, die am Ende ihres Lebens stehen, so spürbar ist. Da geht es nicht mehr um Smalltalk, um Titel, Geld, Ansehen – nein, hier zählt ganz allein die Begegnung von Mensch zu Mensch! Hier ist mein „Da -sein“ wertvoll, ganz ohne Leistung, Wissen und Perfektion.
     
  • Ich begleite Schüler*innen mit komplexen Behinderungen und deren Eltern. Gerade bei ihnen ist oftmals das Thema Tod allgegenwärtig. Sie brauchen Personen in ihrem Umfeld, die es aushalten darüber zu sprechen, Ängste wahrnehmen und auch in der Trauer begleiten.
     
  • Ich nehme jeden Tag ganz bewusst als Geschenk wahr und bin durch viele Begegnungen mit Menschen in schwierigen Situationen gelassener und ruhiger geworden.
Ein weißer Schmetterling (Grünader Weißling) sitzt auf einer rosa blühenden Blume (Acker-Kratzdiestel)(

Ich habe gelernt, mein Leben bewusster zu leben und genießen

Bei meiner Ausbildung zur Körperbehindertenpädagogin setzte ich mich im Rahmen meiner Abschlussarbeit dann nochmals theoretisch mit den Themen Leben, Sterben und Tod auseinander. Dies ermöglichte mir neue, tiefere Einblicke und Erkenntnisse. Bei der Auseinandersetzung mit unterschiedlicher Literatur bekam ich weitere Ideen und fand zu manchen Problemstellungen neue Ansätze. Mir wurde einmal mehr bewusst, dass ich Menschen in schwierigen Situationen nur begleiten kann, wenn ich mich selbst mit diesen Themen auseinandergesetzt habe und mich selbst sicher fühle. Dies, glaube ich, gilt vor allem auch für uns Pädagogen*innen – wir können die Themen Sterben und Tod mit den Kindern und Jugendlichen nur ansprechen, wenn wir uns selbst im Vorfeld damit auseinandergesetzt haben.

Für mich stellen sich bei dieser Auseinandersetzung immer wieder neue Fragen:

  • Wie können wir es schaffen, dass trauernde Menschen wieder mehr Schutz und Unterstützung in der Gesellschaft bekommen?
  • Wie gehen wir als Gesellschaft damit um, dass es bald auch in Österreich möglich sein wird, sich Hilfe zum Suizid zu holen und wo sind hier die Grenzen einer freien Entscheidung?
  •  Wie schaffen wir es, dass Menschen gerade am Ende des Lebens nicht alleingelassen werden?

Ja – Sterben und Tod gehören für mich zum Leben dazu und ich bin froh darum, dass ich mich durch verschiedene Umstände damit auseinandersetzten musste, denn dadurch habe ich gelernt mein Leben bewusster zu leben und zu genießen.

Martina Neuner
Martina Neuner

Martina Neuner ist Sonderschullehrerin und ehrenamtliche Hospizbegleiterin.

Dieser Artikel erscheint unter Creative Commons, BY-NC-SA.

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