Geschlechtergerechte Sprache auf AUFLEBEN.online
Warum gendert AUFLEBEN.online?
In der biblischen Vision des Himmelreiches geht es darum, Gerechtigkeit vor das Recht zu stellen. Das bedeutet für uns, dass die Menschen das bekommen, was sie für ein gutes Leben benötigen, und nicht nur, was ihnen von Rechts wegen zusteht. Es gibt viele Menschen, gerade auch in unserer Kirche, die sich nicht genug gesehen fühlen. Besonders Frauen sind in unserer Kirche aus verschiedensten Gründen weniger sichtbar. Dem möchten wir auf AUFLEBEN.online entgegentreten, indem wir in der geschriebenen Sprache versuchen, möglichst viele Geschlechtsidentitäten abzubilden. Es ist nur ein kleiner Beitrag dazu, dass Kirche für sie Heimat bleibt und wird.
Warum genügt es nicht, die männliche und weibliche Form auszuschreiben?
Der Rat für deutsche Rechtschreibung hält in seiner Empfehlung vom 17. Juli 2023 fest: "'Beim Thema Gendern ist es wichtig, zwischen einer gesellschaftspolitischen und einer sprachwissenschaftlichen Perspektive zu unterscheiden', erklärt Maximilian Schulyok, Geschäftsführer des öbv. 'Aus gesellschaftspolitischer Sicht ist die Paarform zu wenig inklusiv, da sie nur weibliche und männliche Personen sichtbar macht. Studien zeigen, dass Menschen bei der Verwendung des generischen Maskulinums überwiegend männliche Personen vor Augen haben. Deshalb ist es sinnvoll, alternative Formen zu nutzen.'".
Aus diesen Gründen genügt es uns nicht, die männliche und weibliche Form auszuschreiben, falls kein geschlechtsneutrales Wort verwendent werden kann. Die aufwändigere Schreibweise, beispielsweise "Pädagoginnen und Pädagogen", ist natürlich besser, als nur von (implizit männlichen) "Pädagogen" zu sprechen. In der gesprochenen Sprache ist dies auch die beste aller Möglichkeiten. In der Schriftsprachen jedoch berücksichtigen wir mit dem Asterisk, dass es mehr Geschlechtsidentitäten als nur die männliche oder die weibliche gibt. Der Asterisk steht für all jene, die sich weder ausschließlich männlich, noch weiblich definieren. Gottes Schöpfung ist eben vielfältig und bunt. Immerhin hat Gott selbst kein Geschlecht - oder eben vielleicht alle denk- und undenkbaren? Daher schreiben wir den Asterisk zwischen die männliche und weibliche Form, um Gottes Vielfalt zu loben und alle Menschen einzuschließen. Immerhin ist das ja auch die Wortbedeutung von "katholisch", nämlich "allumfassend". Kirche ist dort, wo Christus ist (Hl. Ignatius). Die Christuszugehörigkeit ist tatsächlich keine Frage von Mehr- oder Minderheiten, von links oder rechts.
Gottes Schöpfung ist eben vielfältig und bunt.
Ein Blick in die Schöpfungsgeschichte
Gerne wird damit argumentiert, dass doch in der Bibel zu lesen sei, die Menschen wurden als "Mann" und "Frau" geschaffen. Daher würde sich eine eindeutige Zuordnung ergeben.
Wenn wir jedoch Genesis 1,27 lesen, dann steht dort im hebräischen Original, dass Gott die Menschen als "zakhar" und "neqewa" geschaffen hat. Das sind Adjektive. Die Einheitsübersetzung (2016) übersetzt das richtig mit: "Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie." Es steht nicht "als Mann und Frau", sondern "männlich und weiblich". Das Hebräische kennt für Mann und Frau auch andere Wörter, es geht hier also nicht um die Kategorien "Mann" und "Frau", sondern um eine Beschreibung, wie Menschen sind. "zakhar" und "neqewa" bedeuten nämlich auch noch viel mehr. "zakhar" bedeutet auch wild, ungestüm, fordernd, aktiv, hart, erobernd, laut. "neqewa" bedeutet sanft, weich, beschützend, passiv, leise, usw. Nun wissen wir ja aus dem Alltag, dass die meisten Menschen wohl sowohl "zakhar"-Eigenschaften, als auch "neqewa"-Eigenschaften in sich tragen.
Es gibt sowohl Männer, die beschützend und sanft sind, als auch Frauen, die aktiv und wild sind. Menschen sind - wenn man es mit "männlich" und "weiblich" zuspitzt - immer sowohl männlich, als auch weiblich in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen. Menschen sind nicht männlich oder weiblich, sondern männlich und weiblich. Eine Verkürzung auf eine Einteilung in (vermeintlich) biologische Kategorien entspricht nicht der Idee, dass der Mensch Bild Gottes ist.
Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie.
(Gen 1,27)
Ist das nicht nur eine Ideologie?
Wir verstehen, dass einige Menschen in so unsicheren Zeiten gerade das Bewahrende und Traditionelle in der Kirche suchen, um Halt zu finden. Auch das ist legitim. Doch darf dies nicht davon ablenken, dass Gott immer ganz anders ist und Kirche sich immer neu denken muss.
Damit steht das II. Vaticanum ganz im Geiste des Propheten Jesaja: "Denkt nicht mehr an das, was früher war; auf das, was vergangen ist, achtet nicht mehr! Siehe, nun mache ich etwas Neues. Schon sprießt es, merkt ihr es nicht?" (Jesaja 43,18-19).
Vielleicht kommen Zeiten, wo dieses explizite Aufmerksammachen und Wertschätzen der Vielfalt der Menschen nicht mehr nötig sein wird. Dann werden wir unsere Praxis natürlich neu überdenken.
An dieser Stelle muss auch betont werden, dass geschlechtergerechtes Sprechen keinen "Angriff" auf all jene darstellt, die sich einfach männlich oder weiblich sehen und auch in einer Mann-Frau-Beziehung leben. Das eine schließt das andere nicht aus. Aber weil Gottes Wort sich in Menschenwort geoffenbart hat (Konzilsdokument Dei Verbum 12), müssen wir bedenken, dass die Bibel, weil von männlichen Autoren verfasst, tendenziell männlich ist und dem Wissensstand von vor zwei- bis dreitausend Jahren entspricht. Das zweite Vatikanische Konzil weist unmissverständlich darauf hin, dass dies bei der Schriftauslegung zu berücksichtigen ist. So sind unzählige Stellen zu identifizieren, die fälschlicherweise eine männliche oder ausschließlich zweigeschlechtliche Weltsicht nahelegen. Die weiter oben zitierte Schriftstelle Gen 1,27 ist dafür ein gutes Beispiel, wie sich auch der Umgang mit Schriftübersetzung geändert hat. Denn in älteren Übersetzungen wurde die Stelle tatsächlich verkürzt mit "Als Mann und Frau schuf er sie" wiedergegeben.
Manche sagen von sich, dass sie sich auch ohne geschlechtergerechte Sprachformulierung genügend adressiert und wertgeschätzt fühlen. Das ist gut so. Dies stellt eine wichtige persönliche Ressource dar. Sie haben vermutlich kaum diskriminierende Erfahrungen gemacht, oder können mit solchen Erfahrungen gut umgehen. Aber wie oben gesagt, möchten wir im Sinne der Gerechtigkeit auch jene berücksichtigen, die damit Schwierigkeiten haben.
"Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Realität"
Ludwig Wittgenstein
Sprache erzeugt Realität
Gottes Wort alleine ruft die Schöpfung ins Dasein. So erzeugt auch jedes von uns gesprochene Wort Realitäten. Was verschwiegen wird, wird unsichtbar. Worüber gesprochen wird, kommt ins Bewusstsein.
"Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Realität", sagt der große Philosoph Ludwig Wittgenstein. Für AUFLEBEN.online bedeutet dies, dass Geschlechtergerechtigkeit bei der Sprache anfängt, aber nicht bei der Sprache aufhört. Und letztlich ist es auch nicht ein Thema des Geschlechts, sondern ein Grundsätzliches. Wir sehen es als unsere Verantwortung, grundsätzlich die Vielfalt und Buntheit der Menschen, ihrer Persönlichkeiten und Berufungen zu sehen und wertzuschätzen. Daher bemühen wir uns immer, Bezeichnungen, Bilder oder Inhalte auf ihre möglichst inklusive Bedeutung hin zu überprüfen.
Sprache in jeder Form, also gesprochene, geschriebene oder Bildsprache, ist ständig im Fluss und entwickelt sich weiter. Was heute passt, muss morgen nicht mehr passen. So sprechen wir heute von "Elementarpädagogen*innen" und nicht von "Kindergartentanten", von "Pädagogen*innen in der Schule" und nicht von "Lehrern", von "Gottesdienstfeiernden" und nicht von "Kirchenbesuchern". Es kann gut sein, dass in einigen Jahren bessere Varianten gebräuchlich werden, um mithilfe der Sprache das zu beschreiben, was tatsächlich ist. Wir bitten Gottes Geist um Sensibilität dafür!
Natürlich ist Sprache immer auch eine Frage des Kontextes. Es ist normal, dass wir je nach Situation und Kontext anders sprechen, andere Bilder verwenden und einen anderen Fokus setzen. Geschlechtergerechte Sprache ist in vielen Kontexten nicht immer vonnöten. Auch muss nicht immer alles bis in die letzte Konsequenz durchexerziert werden. Manche versuchen ja so das Anliegen ins Lächerliche zu ziehen. Auf AUFLEBEN.online geht es mehr um eine grundsätzliche, biblische Haltung: Es geht nicht ums Recht, sondern um Gerechtigkeit.
Der Asterisk
Zum Abschluss dieser Überlegungen möchten wir noch erklären, warum wir uns für den Asterisk entschieden haben, falls keine andere sprachliche Form möglich ist, zumal es verschiedene Varianten gibt. Es gibt beispielsweise den Doppelpunkt, oder auch den Unterstrich. Der Unterstrich, auch Gendergap genannt, soll einen Leerraum zwischen der männlichen und weiblichen Form darstellen. Wir sind jedoch der Meinung, dass es gerade nicht um einen Leerraum, sondern um die Fülle des Dazwischen geht. Der Schrägstrich wie auch der Doppelpunkt sind ein Trennzeichen und suggerieren vielleicht, es würde sich um eine Wahl handeln. Der Asterisk hingegen ist auch als "Wildcard" bekannt, also als ein Platzhalter-Zeichen, das für vieles stehen kann. Er steht für uns für die Kreativität, die Bandbreite und Vielfalt des Dazwischen. Im Übrigen wird der Asterisk auch vom Deutschen Blindenverband DBSV in Bezug auf Barrierefreiheit für Screenreader empfohlen.
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