Wer ist wofür zuständig
In Lehrer*innenkreisen hört man oft: Die Eltern sind nicht nur erziehungsberechtigt, sondern vor allem auch erziehungsverpflichtet. Diese Aussage wird niemand bezweifeln, gehört es doch zu den ureigenen Aufgaben von Eltern, schon allein bezüglich der Art und Weise, wie man zu Hause miteinander Zeit erlebt, gestaltet und vor allem auch organisiert. Da kann es nicht nur egoistische Wünsche geben, denen alle anderen nachkommen müssen. Da gibt es Regeln, Vereinbarungen und hoffentlich auch Konsequenzen, wenn man bewusst gegen das „Ausgemachte“ verstößt. Es gibt sie – die familieninternen „Rezepte“, was auf eine Missachtung folgt. Das ist anstrengend, vor allem dann, wenn trotz allem nicht „gefolgt“ wird. Wenn hier „zu früh das Handtuch geworfen“ wird, lernt der*die Heranwachsende, dass Konsequenzen nicht unbedingt lange genug verfolgt werden. Diese Haltung spüren jene, die dann für eine Gruppe im Kindergarten oder Schule Verantwortung übernehmen. Und hier kann die Frage, wer wofür zuständig ist, zumindest so weit geklärt werden, dass Eltern hier Verantwortung dafür haben, wie Kinder auf Missachtung von Vereinbarungen reagieren (sollen). Erziehung soll ja nicht als „Drill“ oder „Abrichtung“ verstanden werden – sondern als eine Haltung gesehen werden, die es ermöglicht, miteinander gut auszukommen, wobei gut eher bedeutet, dass keiner permanent mit seinen Erwartungen und Wünschen auf der Strecke bleibt. Schule hat freilich auch Erziehungsaufgaben – jedoch vor allem jene, die eine Gruppe betreffen. Nicht selten kommen Kinder aus Familienzusammensetzungen, die schon lange nicht mehr jenen unserer Vorstellungen entsprechen. Oft sind es alleinerziehende Erwachsene, die mit einem Kind zusammenleben. Das macht dann auch etwas mit dem Kind, wenn es in institutionellen Gruppen viele Stunden mit Gleichaltrigen verbringt, die vielleicht Mutti und Papa und ein Geschwisterchen zu Hause haben. Neue Herausforderungen kommen somit auf Kindergarten und Schule zu. Gerade hier ist es zu erkennen, welche Kinder mit Regeln bereits konfrontiert und auch Erfahrungen mit deren Überschreitung gemacht haben.
Viele Erwachsene haben heute kaum mehr Zeit und vielleicht auch kaum mehr Energie – vielleicht auch keinen Willen dazu – hier die sehr anstrengende Vorbildwirkung für das eigene Kind zu übernehmen. Neben der Kompetenz, sich Regeln zu eigen zu machen, spielen auch andere für den*die Erzieher*in selbstverständliche Haltungen und Eigenschaften eine wesentliche Rolle. Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, die Fähigkeit mit anderen zu kommunizieren – im Sinn von Austausch von Gedanken und nicht nur als Einweg-Information. Hier kommt es auch durch Milieuunterschiede zu Differenzen, die deutlich angesprochen gehören.
Elternarbeit
Was ist oder was kann nun gemeint sein, wenn von positiver und engagierter Elternarbeit seitens der Schule die Rede ist? Die sieht in jeder Klasse sicher anders aus. Vor vielen Jahren, als ich selbst noch Klassenvorstand war, versuchte ich den Kontakt zu den Eltern meiner Schüler*innen „proaktiv“ herzustellen und lud sie zu gemeinsamen Aktivitäten ein. War es einmal eine Wanderung, besuchten wir ein anderes Mal gemeinsam einen Heurigen. Ich erinnere mich auch an den gemeinsamen Besuch eines Theaterstücks. Kam man zusammen, wurde nicht nur – aber auch – über schulische Belange gesprochen. Nicht immer erwartete man sich dann auch eine Lösung eines Problems, sondern es war wichtig, gehört zu werden und die andere Sichtweise zu verstehen. Elternarbeit im Sinn des Ermöglichens von Kommunikation auf Augenhöhe – ohne Tagesordnung, ohne zwingende Ergebnisorientierung.
An anderen Standorten kann Elternarbeit einen ganz anderen Schwerpunkt haben. Hier geht es vorab ums Verstanden werden. Oft getrauen sich Eltern nicht offen zuzugeben, dass sie die Information, den Inhalt des Gesprochenen nicht verstanden haben. Wenn man sich hier als Pädagoge*in bemüht, ein Zeichen zu setzen – auch proaktiv, indem man z. B. eine*n Dolmetscher*in oder eine*n Sprachkundige*n meines Vertrauens beizieht – dann erleichtert man es dem Elternteil, sich auf Inhalte zu konzentrieren.
Nicht selten nehmen Eltern eine Information aber auch ganz anders wahr, als sie vom*von der Pädagogen*in gesendet wurde. Einerseits ist da vielleicht wirklich die Sprache das Problem – in manchen Sprachen gibt es für unsere Begriffe gar keine Übersetzung – andererseits gibt es z. B. Situationsbeschreibungen, die unterschiedlich gewichtet werden. „Ihr Kind hat oft keine Hausübung gemacht.“ Hier gibt es viele Interpretationsmöglichkeiten – ebenso wie bei der Formulierung: „Ihr Kind war sehr unhöflich“ – oder „Dauernd muss ich ihr sagen, dass sie …“. Sie erkennen die Notwendigkeit, dass solche Aussagen noch konkreter zu formulieren sind, um mit höherer Wahrscheinlichkeit ein gemeinsames Verständnis dafür zu erwirken.
Elternarbeit kann auch als Thema der Schulentwicklung an einem Standort aufgenommen werden, um mögliche Ideen für eine Gestaltung einer für beide Seiten positiv empfundenen Zusammenarbeit mit „dem“ Elternhaus zu sammeln. Hier ein paar Ideen:
Eltern Café
In regelmäßigen Abständen wird ein Café am Standort in einem geeigneten Raum eingerichtet. Entweder gibt es kein oder ein bestimmtes Thema, zu dem Meinungen eingeholt, verschiedene Standpunkte ausgetauscht werden können. Wesentlich ist nur, dass regelmäßig Raum und Zeit zum Austausch zur Verfügung gestellt werden. Im Bereich er Grundschule ist freilich hierbei der Kontakt mit dem*der Klassenlehrer*in erwünscht und zielführend, im Bereich der Sekundarstufe können sich Lehrer*innen aus dem Team abwechseln und für Anfragen allgemeiner Art als Ansprechpartner*innen fungieren. Auch gemeinsame Herausforderungen lassen sich diskutieren und Vereinbarungen treffen, die alle Schulpartner*innen betreffen. Die Einrichtung eines Schulbuffets – oder vielleicht auch die Möglichkeiten der Unterstützung bei der Schüler*innenzeitung oder der Homepage.
Elternbriefkasten
Wenn Eltern ihr Anliegen lieber anonym vorbringen wollen – oder einen anderen Grund haben, ihn nicht persönlich und im gegenseitigen verbalen Austausch vorzubringen – ist ein Briefkasten hilfreich. In diesen können freilich auch Kinder Zettel mit ihren Anliegen einwerfen. Das wäre dann schon eine sehr hohe Form gelungener Schulpartnerschaft. Der Klassenvorstand sammelt die Anliegen und bereitet ein Café vor oder sucht eine andere Möglichkeit (gemeinsamer Spaziergang), um zu zeigen, dass die Bearbeitung des Themas wichtig erscheint.
Elternhotline
Auch hier geht es darum, sich eine konkrete Stunde für etwaige Anfragen Zeit zu nehmen. Nicht nur „rasch“ in meiner Freistunde oder im Anschluss an einen anstrengenden Vormittag, sondern vielleicht an einem Nachmittag, nachdem ich eine gute Pause hatte. Ein Gespräch entwickelt sich dann ganz anders, als wenn man unter Zeitdruck steht und an die nächste Aufgabe denken muss. Nicht immer gelingt es Eltern, in den „Sprechstunden“ der Lehrer*innen am Vormittag, in die Schule zu kommen.
Elternarbeit online
Ob das wirklich funktioniert, möchte ich ein wenig in Frage stellen. Wenn bloß Informationen weitergegeben werden (was meiner Ansicht nach keine Form der „Elternarbeit“ darstellt), reicht eine SMS, eine Mail oder eine Übermittlung in einem Programm, das alle Eltern gleichzeitig informiert.
Online-Aktivitäten haben den Vorteil, dass man sich Wegstrecken erspart – aber wenn miteinander an einem Thema gearbeitet wird, wenn Vereinbarungen zu treffen sind, wenn Standpunkte einander erklärt und Meinungen ausgetauscht werden wollen, wenn also Kommunikation gepflegt wird, ist die persönliche Begegnung wesentlich. Wir nehmen uns Zeit füreinander und wir zeigen damit unserem Gegenüber, dass uns die Realbegegnung wichtig ist. Diese Form der Wertschätzung dient bereits als Grundlage und schafft eine positive Grundstimmung für alles Folgende, welches nun gut darauf aufgebaut werden kann.
Schlussgedanken
Alles spricht von Schulpartnerschaft und alle meinen darunter ein gutes Miteinander. Dazu braucht es aber einiges – vor allem den Willen dazu. Nicht „ich muss“ – sondern „ich will mit Ihnen sprechen“. Freilich spielt der Anlass eine nicht unbedeutende Rolle – aber die Grundhaltung sollte immer den Willen dafür zum Ausdruck bringen, nicht (nur) das gehorsame Erfüllen eines Auftrags. Elternarbeit beginnt meiner Ansicht nach schon viel früher und nicht erst bei der ersten Ein- oder Vorladung zu einem Gespräch. Wenn mir an der Elternarbeit und einer guten Kommunikation zwischen all den Erziehungsberechtigten und Erziehungsverantwortlichen „meiner“ Kinder etwas liegt, dann möchte ich dieses Miteinander auch gestalten. „Arbeit“ eben im Sinne von Tätigwerden – von Initiativen setzen – einladen dazu. Wenn das gelingt, kann man Eltern auch recht direkt auf Missstände hinweisen, kann sie durch Fragen zum Nachdenken bringen und sie mit der eigenen Wahrnehmung konfrontieren. Im Wissen, dass die Lehrperson nicht grundsätzlich ein „Gegner“ mit anderem Standpunkt ist, hört man als Elternteil ganz anders zu. Elternarbeit erfordert Toleranz, gegenseitige Wertschätzung und vor allem Verständnis für das gemeinsame Anliegen, die Begleitung junger Menschen bei ihrer Entwicklung in den Institutionen.
Das Kind möge spüren: Ich darf sein, der*die ich bin und werde, der*die ich sein kann!
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