Was ist Glück?

Wir alle streben danach, glücklich zu sein. Doch was heißt das, woraus besteht das Glück, bedeutet es wirklich für jeden etwas anderes, bin ich selbst auf dem rechten Weg dorthin, ist die Gesellschaft, in der ich lebe, auf einem Glückspfad?

Fragen über Fragen zum Glück

Die Meinungen und Untersuchungen dazu, die Dichtung, Kunst, Philosophie, Psychologie, Pädagogik, Biologie etc. liefern bzw. geliefert haben, sind vielfältig und oft widersprüchlich. Gibt es dabei Gemeinsamkeiten? Besteht unser Glück nicht einfach darin, einen gesunden Körper, eine Wohnung, genug zu essen und gute Freunde zu haben? Nach einer Wanderung ein kühles Glas Wasser, Walderdbeeren am Wegrand, ein gut gefüllter Geldbeutel, gesellschaftliches Ansehen – die Erfüllung solcher Wünsche beschert uns Glück. Dieses währt meist nur so lange, bis ein neuer Wunsch entsteht.

Momente des Glücks 

Für viele von uns sind Glücksmomente so etwas wie Überraschungsgeschenke. Einmalige, unvorhersehbare Ereignisse von unfassbarer Intensität. Psychoanalytisch wird Glück manchmal als Erinnerung an das kindliche Einssein mit der Welt gedeutet. In diesem Zusammenhang steht auch Mihaly Csikszentmihalyis bekannte Theorie des „Flow“, in dem ich meinen Fähigkeiten gemäß weder unter- noch überfordert und mit meiner Tätigkeit in höchstmöglicher Harmonie bin.

Unser Hirn kennt drei Wege zum Glück

Wenn wir uns auf etwas freuen und etwas erreichen wollen, wenn wir abenteuerlustig und neugierig sind, belohnt uns unser Hirn mit dem Botenstoff Dopamin. Dieses Glück mit kurzen, heftigen Momenten verspüren wir eher in jungen Jahren.
Haben wir eine angst- oder stresserzeugende Situation überstanden, sinkt der Pegel der Botenstoffe Adrenalin und Kortisol. Wir verspüren Erleichterung.
Wenn wir Herausforderungen bewältigen, ein Ziel erreicht ist und wir sozusagen alles haben, was wir brauchen, wird endogenes Morphium, beruhigendes Serotonin sowie Oxytozin ausgeschüttet, durch das wir uns mit der Welt verbunden fühlen.

Fragen, die unser Tun bestimmen

Wir stellen sie uns im Gegensatz zu den Philosophen nur hin und wieder; Philosophen beschäftigt die Frage nach dem guten, gelungenen Leben schon Jahrtausende lang. Am umfassendsten hat sich Aristoteles mit dem Glück und der Glückseligkeit auseinandergesetzt. Das Glück ist das größte Gut, nach dem wir streben. Er meint auch, dass zum Glück Freiheit, Wohlstand, Gesundheit, Freunde, Familie und Ansehen gehören und wir dann am glücklichsten sind, wenn wir uns als Mensch verwirklichen können und unserer Vernunftbegabung gemäß leben.
Seit Aristoteles gehen wir davon aus, dass das gelingende, das gute Leben auch in einem moralischen Sinn ein gutes Leben ist; obwohl uns Friedrich Nietzsche mit dem Hinweis, dass es ein Glück der Bösen geben kann, einen Spiegel vorhält. Es widerstrebt einfach unseren Vorstellungen – sollen wir uns die Korrupten, die Gierigen, die Mörder, die Gewalttätigen wirklich als glücklich vorstellen?
Dagegen wehrt sich neben der christlichen Einstellung auch ein etwas diffuses Gerechtigkeitsgefühl, das solche Menschen am Ende im Unglück sehen will. Ein zentraler Gedanke moderner Rechtssprechung, dass das Böse selbst Folge erlittenen Unglücks oder Versagens in Familie, Milieu und Gesellschaft ist und so keine Quelle des Glücks sein kann – vielleicht allen Befunden der Realität zum Trotz.

Wenn man die Beschreibungen der Philosophen zum Glück vergleicht, kreuzen sich dabei auch psychologische, pädagogische mit soziologischen und ökonomischen Ansätzen. Neurowissenschaftler und Juristen wollen das „Glück“ auch definieren, vermessen und tunlichst maximieren.

Persönlich denke ich eher an Momente des Glücks und der Freude als an Glück als Zustand oder anhaltende Freude. Die Vorstellung von länger anhaltendem Glück erinnert mich eher an ein langweiliges Plateau und nicht an Gipfel – ein „Flow“, der nie mehr aufhört, ist keiner gewesen. Dennoch vertrete ich das christliche Gedankengut in Richtung: Wer das Richtige im Leben tut, kann sich Glück, das darüber hinaus anhält, schaffen.
Der Pädagoge in mir versucht sich im Folgenden mit dem Ansatz, wie weit unser eigenes Lebensglück vom Glück anderer Menschen abhängt.

Ganzheitliches Glück, episodisches Glück und Glücksgefühl:

Der Versuch, die Frage nach dem Glück zu beantworten, ist wie das Ankleiden für eine Schitour. Jede Schicht wirft neue Fragen auf, und Antworten erhält man erst am Ende der Tour.

Schier unermesslich sind die Beschreibungen von Glück. Wenn jedoch in einer philosophischen Tradition vom Glück die Rede ist als dem höchsten, im Leben erstrebenswerten Gut, dann ist damit ganzheitliches Lebensglück gemeint. Es unterscheidet sich vom episodischen Glück, das in Richtung glückliche Kindheit, glückliche Partnerschaft etc. geht bzw. vom augenblicklichen Gemütszustand, dem Glücksgefühl.

Ein glückliches Mädchen liegt bäuchlings am Strand, im nassen Uferbereich.

Das Ergon-Argument

Ob sich Werturteile über das, was im Leben zählt und was sich dabei verbessert, verallgemeinern lassen, bleiben Diskussionspunkte in Ethik und Glücksforschung. Oder gehört die Definitionshoheit darüber, was glücklich macht, mir selbst?
Will man eher verallgemeinerbare Aussagen über menschliches Glück machen, dann lohnt vielleicht der Blick auf das Ergon-Argument des griechischen Philosophen Aristoteles (Nikomachische Ethik, Buch I, Abschnitt 6):
Wie Schuster, Bäcker, Tischler bestimmte Funktionen haben und sie gut auszuüben streben, habe jeder andere eine Funktion oder Bestimmung, die er gut zu erfüllen sucht. Ein glückliches Leben führe die- oder derjenige, die die ihr*ihm innewohnende Bestimmung verwirklicht“.
 

Glückskomponenten: Überleben – Lebensqualität – Sinn – Selbstbestimmung

Ein solcher innerer Wert des Lebens ist das Glück des Überlebens. Von dieser Glückskomponente erzählen Leute, die einer Katastrophe entronnen sind oder von einer schweren Krankheit geheilt wurden. Die Lebensqualitätsforschung kommt zu Ergebnissen, dass sich unabhängig von Biografie und Kultur allgemeine Aussagen darüber treffen lassen, welche Bedürfnisse unser Glücksbefinden maßgeblich beeinflussen. Gesundheit, soziale Bindungen, Anerkennung stehen im Kanon unserer Grundbedürfnisse ganz vorne.
Während Überleben und Lebensqualität dem Leben selbst zukommen, ist der Sinn kein Wert, der dem Leben selbst innewohnt, er wird vielmehr dem Leben „verliehen“. Dass Lebenssinn durch Tätigkeiten gestiftet wird, führen Leute vor, denen es gelingt, nach schweren Leiderfahrungen wieder aufzustehen. Psychologische Untersuchungen zur sogenannten Resilienz zeigen, dass bei Leistungssportlern nach erlittener Behinderung, bei Eltern, die ein Kind verloren haben, und bei Opfern von Verbrechen sich nach ungefähr einem Jahr ein vergleichbares Glücksniveau wie zuvor einstellen kann. Häufig verleihen sie ihrem Leben neuen Sinn, indem sie sich Menschen widmen, denen Ähnliches widerfahren ist. Solche Empathie zugunsten des Wohlergehens anderer ermöglicht Sinnerfahrungen, die das eigene Glück bereichern. Bereicherung erfahren wir auch, wenn wir uns selbst durch die Höhen und Tiefen des Alltags steuern und Bereiche, auf die wir persönlichen Einfluss haben – wie Selbstachtung, Selbstverantwortung, Selbstbewusstsein und Selbstdisziplin – ,weiterentwickeln.
 

Hängt unser eigenes Lebensglück vom Glück anderer Menschen ab?

Die Beantwortung dieser Frage gehört zu den großen Aufklärungsversprechen der Philosophie, aber auch wir Lehrerinnen und Lehrer müssen uns dieser Frage stellen. In der Ratgeberliteratur wird diese Frage kurzerhand unterschlagen und damit der Eindruck erweckt, Glück gehe in der eigenen Lebensqualität auf. Zudem verkennen „Glücksexperten“, dass stellvertretend gegebene Antworten auf die Glücksfrage wenig glücklich machen.
Die Verständigung über Glück wird als das Entdecken einer Antwort erfahren, die sich Ratsuchende unvertretbar selbst erschließen. Trotzdem hängt das Glücksverstehen nicht pflückbereit am Baum der Erkenntnis; die Sicherung und Förderung beinhaltet auch eine politische Dimension, die von Bildungsinstitutionen getragen werden kann. 

Das Glückverstehen hängt nicht pflückbereit am Baum der Erkenntnis. 

 

 

Weiterführende Informationen

Dieser Beitrag wurde von Kurt Prackwieser geschrieben unter Mitverwendung von Ideen von:

 

Kurt Prackwieser
Kurt Prackwieser Mag.

Kurt Prackwieser ist pensionierter Praxislehrer und Fachdidaktiker der Pädagogischen Hochschule Tirol. Im k+lv war er von 2000 - 2009 als Obmann und viele Jahre als Redaktionsmitglied der Zeitschrift AUFLEBEN tätig.

Dieser Artikel erscheint unter Creative Commons, BY-NC-SA.

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