Lehrkräftemangel - Ergebnisse, Reflexion, Perspektiven und ein Plädoyer 3/3

3. Ergebnisse einer Befragung von Lehramtsstudierenden der PH Tirol

3.1 Berufswahlmotive – Ergebnisse

Reinhold Miller, ein „achtsamer Begleiter als Schulexperte.“ (Miller, 2023, S. 69), untersucht seit fast 40 Jahren Symptome und Verhaltensweisen von Lehrerinnen und Lehrern. Miller hat über viele Jahre zahlreiche Lehramtsanwärterinnen und -anwärter nach ihren Motiven zur Berufswahl befragt. Identifiziert hat er hierbei meist dieselben Motive: eine Anstellung beim Staat, die Sicherheit und einen moderaten Verdienst verspricht; Lehrerinnen und Lehrer, die Vorbilder waren, oder solche, die es nicht waren; der Wunsch, jungen Menschen etwas beizubringen; die Arbeit mit Kindern bzw. jungen Menschen; Freude; Pragmatische Gründe wie Vereinbarkeit von Beruf und Familienplanung (Miller, 2023, S. 69). Erste Ergebnisse der qualitativen Inhalts1)- und Häufigkeitsanalysen (Kuckartz, 2018; Mayring, 2015) von Textdaten einer Online-Befragung von 712) Studierenden der PHT (vgl. Tab. 1) zeigen ähnliche Berufswahlmotive.

Abbildung 1 veranschaulicht die Ergebnisse, d. h. die Kategorien von Motiven, die in den studentischen Antworten (N=71) auf die Frage „Was hat Sie dazu bewegt, Lehrperson werden zu wollen?“ identifiziert wurden.

Tabelle für Häufigkeiten der Lehrberufswahlmotive
Abbildung 1: Häufigkeiten der Lehrberufswahlmotive (N=71)

Die Ergebnisse bestätigen und ergänzen die von Reinhold Miller. Insgesamt 59 % der Befragten geben als Berufswahlmotiv an, gerne mit Menschen (Kindern, 34 %3); Menschen; 8 %; jungen Menschen 17 %) zu arbeiten. Bei differenzierter Betrachtung der Ergebnisse nach Schultyp zeigt sich, dass dieses Motiv bei den Studierenden des Primarstufenlehramts mit 70 % am stärksten ist, was konvergent zu bisherigen Studien ist (Keller-Schneider et al., 2018). Bei den beiden anderen Schultypen ist die Verteilung der Motive gleichmäßiger verteilt. Weitere Motive sind die Freude daran, jemandem etwas beizubringen bzw. sich an der Bildung der nächsten Generation zu beteiligen (34 %). Insgesamt 22 % sind durch Lehrpersonen in ihrer Schulzeit motiviert worden, selbst Lehrer*in zu werden (positive Vorbilder 14 %; negative Vorbilder 8 %). 13 % sehen den Lehrberuf als eine Möglichkeit, einer abwechslungsreichen Tätigkeit nachzugehen. Nur 7 % entscheiden sich für den Lehrberuf aus Gründen der Vereinbarkeit mit Familie oder Sicherheit und Verdienst. Weitere Motive sind durch etwaige biografische Hintergründe (z. B. ‚Zufälle‘) sowie Zuschreibungen (4 %) und Selbstwirksamkeitserfahrungen (4 %), bspw. durch positive Erlebnisse bei Nachhilfestunden oder in einer kooperativen Lerngruppe, bedingt. Differenziert nach Schultyp zeigt sich bei Studierenden der Primarstufe die pädagogische, adressatenbezogene Motivstruktur am stärksten, bei Studierenden des Sekundar- und Berufsschullehramts zeigt sich in der Berufswahlmotivstruktur eine stärker ausgeprägte Orientierung am Fach resp. dem zu vermittelnden Fachwissen – konvergent zu bisherigen Studienergebnissen (vgl. Übersicht in Keller-Schneider et al., 2018). Im Allgemeinen zeigen sich die Motive tendenziell vorwiegend intrinsisch, d. h. idealistisch, einige Studierende nennen sowohl intrinsische als auch extrinsische Motive.

 

3.2 Berufswahlmotive – Reflexion

Die genannten Berufswahlmotive möchte ich, bezugnehmend auf die evidenzbasierten Charakteristika einer ‚guten‘ Lehrperson, (kritisch) reflektieren und Reinhold Miller zitieren: „(fast) niemand [erwähnt] die Fähigkeiten […], die ein Lehrer bzw. eine Lehrerin haben muss, nämlich fünf grundlegende: Die Selbst-, die Beziehungs-, die Gesprächs-, die Fach-/Sach- und die Organisationskompetenz mit den Ergänzungen: Teamfähigkeit, Lern- und Weiterbildungsbereitschaft, Belastbarkeit, Kontaktfähigkeit, Flexibilität und Mobilität.“ (2023, S. 69). Eine gezielte(re) und umfassende Reflexion der Berufswahlmotive vor dem Hintergrund des Professionsprofils einer Lehrperson ist (vor und während dem Studium) anzuraten, denn der Lehrberuf geht weit über die ‚bloße‘ „Arbeit mit Kindern“ oder „Fachliches“ hinaus, ist mit großer Verantwortung und eng mit Persönlichkeitsmerkmalen (McCrae & Costa, 2008) und deren Wahrnehmung verbunden.
Dies könnte ein Ansatz für mögliche Lösungen im Hinblick auf Abbruchquoten während des Studiums und in der Praxis sein. Die Studierenden sollten hierzu (vor und während des Studiums) begleitet, beraten und zur Reflexion ihrer Motive und der Wahrnehmung ihrer Identität angeleitet werden. Weiter sollten dabei ihre Potenziale gezielt erforscht und gefördert sowie Laufbahn- und weitere (Karriere-)Möglichkeiten aufgezeigt werden, um ihnen auf der ‚Suche nach Identität‘ zur Seite zu stehen und ihnen so ggf. mehr Perspektive und Sinnhaftigkeit zu geben (vgl. 1.2; Huber & Lusnig, 2022, 2023; Weyand, 2016, 2017). Identität ist entscheidend für das Gefühl von Sinnhaftigkeit, Selbstwirksamkeit, Motivation, Engagement, Arbeitszufriedenheit und Effektivität von Lehrerinnen und Lehrern. Ein Verständnis der Identität und des Selbstbilds, d. h., wie eine Lehrperson sich selbst (durch ihre Bildungsbiografie) beschreibt (Kelchtermans, 1993), ist zentral für ihre Arbeit, ihr Leben und ihre Effektivität, in denen Struktur (externe Einflüsse) und Handlungsfähigkeit (Day et al., 2006, S. 602) eine Rolle spielen. Ein positives Gefühl der Identifikation mit dem Fach, den Beziehungen und den Rollen ist wichtig, um Selbstwertgefühl, Selbstwirksamkeit, Engagement und Leidenschaft für das Unterrichten aufrechtzuerhalten. Regulierungen, die auf Identifikationen basieren, werden aufgrund der Zustimmung des Selbst voraussichtlich besser aufrechterhalten und mit höherem Engagement und Leistung verbunden sein (Deci & Ryan, 2000, S. 236). Die Reflexion der Identitäten von Lehrpersonen – früher als Lernende, später als Lehrende –, d. h. ihrer Selbstbilder, ihres Selbstwertgefühls, ihrer Arbeitsmotivation und Aufgabenwahrnehmung sowie ihrer Erwartungen, sind für ihre Entwicklung äußerst bedeutungsvoll (Day, 2004; Day et al., 2006, S. 603–604; Kelchtermans, 1993). Somit ist die Untersuchung von Faktoren und Kontexten, die diese positiv und negativ beeinflussen (können) unerlässlich (s. u.) (Day et al., 2006, S. 601).
 

3.3 Wünsche und Sorgen von angehenden Lehrpersonen – Ergebnisse 

Nicht nur in Zeiten des Lehrermangels (!) ist neben Motivation vor allem die psychische Gesundheit von Lehrerinnen und Lehrern resp. Studierenden wichtig. Um Studienabbrüche zu verhindern und das Wohlbefinden zu fördern, müssen die Anforderungen und Ressourcen in der universitären Lehrerausbildung erkannt werden. Arbeits(zeit)belastung und (Zeit-)Druck können zu emotionaler Erschöpfung führen, während emotionale Unterstützung das Wohlbefinden fördern kann. Eine deutsche Studie mit 903 Studierenden untersuchte die Beziehung zwischen emotionaler Unterstützung und Erschöpfung sowie Gründe für Studienabbrüche (Hartl et al., 2022) und zeigt, dass die emotionale Erschöpfung der Studierenden im Studium sich im Laufe des Studiums verändert, und sie legt nahe, dass emotionale Unterstützung (durch Mitstudierende) bedeutend ist. Hauptgründe für Studienabbrüche sind nach Hartl et al. (2022) neben Leistungsproblemen und mangelnder Studienmotivation die Studienbedingungen. Insbesondere Anpassungen von Studienbedingungen an Hochschule und Universität können also ein Lösungsansatz sein, um das Wohlbefinden und somit vermutlich auch die Motivation der Studierenden zu steigern (ebd.). In diesem Zusammenhang wurden die Studierenden der PHT gefragt, was sie sich von ihrer Hochschule im Hinblick auf Studium und berufliche Zukunft wünschen. Weil zwischen beruflichen und persönlichen Identitäten von Lehrpersonen unvermeidbare Wechselwirkungen existieren – u. a., weil der Lehrberuf eine bedeutende persönliche Investition erfordert – (Day et al., 2006), wurden sie außerdem gefragt, was sie sich wünschen, um sich auch persönlich (weiter) zu entwickeln. Die Auswertung der schriftlichen Antworten erfolgte qualitativ inhaltsanalytisch (Mayring, 2015). Nachfolgend sind die Kategorien beschrieben, die dabei induktiv entwickelt wurden.

Die Mehrheit der Studierenden (N=454)) wünscht sich für ihre berufliche Entwicklung an der Hochschule mehr Bezug zur Praxis (68 %), ein besser koordiniertes (11 %) sowie kürzeres (11 %) Studium und mehr fachwissenschaftliche (weniger didaktische) Anteile (11 %). Genannt wurde außerdem der Wunsch nach mehr konstruktivem Feedback von Dozierenden (5 %), mehr Selbstwirksamkeitserfahrungen (5 %), weniger Zeitaufwand (8 %), finanzielle Aspekte (3 %) und der Wunsch, dual studieren zu können (3 %). Für ihre persönliche Entwicklung wünschen sich die Studierenden (N=285)) mehr Raum für Austausch und Reflexion (29 %), mehr Bezug zur Realität/Praxis (38 %), mehr Selbstbestimmtheit (bspw. hinsichtlich der Wahl und Teilnahme von Seminaren) (10 %), mehr Zeit für sich selbst (14 %), gezielte Förderung der Selbstkompetenz und Persönlichkeitsentwicklung (38 %) und weniger Stress (5 %).
Folgende Sorgen, die Studierende mit Blick auf ihr Studium und ihre berufliche Zukunft haben (N=69), konnten identifiziert werden.

Den größten Anteil der Sorgen machen Prüfungs- und Studienabschlussängste aus (29 %). 19 % haben Sorgen, der Belastung (teils bedingt durch die Doppelbelastung von Studium und Beruf) nicht standhalten, das Studium nicht durchhalten zu können. 17 % haben (trotz Lehrermangel) Angst, keine passende Lehrstelle zu finden. 23 % befürchten, dass das Theoriestudium in der Praxis nicht anwendbar sein wird, davon haben 15 % Sorgen, nicht angemessen, ja sogar „falsch“ für die Lehrpraxis vorbereitet zu werden (z. B. mangelndes Wissen bzgl. Schulrecht & Klassenführung). Weitere 15 % haben Sorgen, die sich auf den zeitlichen Aufwand des Studiums beziehen, sie befürchten, dies, bspw. neben anderen Verpflichtungen, nicht leisten zu können. 17 % befürchten, dass ihnen die Disziplinierung von Schülerinnen und Schülern nicht gelingen wird. Weitere Sorgen betreffen Finanzierung (8 %), Elternarbeit (4 %), Lernerheterogenität (4 %), mangelnde Zeit in der Lehrpraxis (2 %), ungewisse Anforderungen in der Zukunft (2 %) oder aber der Gedanke, keine ‚gute‘ Lehrperson zu werden (2 %). 

Relationsanalysen (Kuckartz, 2018; Rädiker & Kuckartz, 2019) lassen Zusammenhänge zwischen Berufswahlmotiven und Sorgen vermuten. Die Analysen zeigen, dass Studierende, die aufgrund von Freude am Lehren oder der Arbeit mit Menschen oder aufgrund von Erfahrungen mit früheren Lehrpersonen den Lehrberuf gewählt haben, befürchten, der Belastung im Studium nicht standhalten bzw. Angst haben, das Studium nicht bewältigen zu können. Diejenigen, die den Beruf gewählt haben, weil sie gerne mit Menschen arbeiten, haben außerdem Sorge, mangelhaft/falsch für die Lehrpraxis vorbereitet zu werden, zu viel Zeit für das Studium investieren zu müssen und ggf. keine passende Stelle zu finden und zweifeln zudem die Anwendbarkeit der Theorie des Studiums an. 

Weiter lassen sich durch Relationsanalysen Zusammenhänge zwischen Sorgen und Wünschen der Studierenden vermuten. Die Analysen zeigen u. a., dass diejenigen, die Prüfungs- und Studienabschlussängste haben, sich mehr Austausch und Reflexion, gezielte Selbstkompetenz- und Persönlichkeitsentwicklung sowie mehr Theorie-Praxis-Verzahnung wünschen. Letztere beiden Wünsche finden sich auch bei denjenigen, die Sorgen haben, ihre Schülerinnen und Schüler nicht angemessen disziplinieren zu können, sowie bei denjenigen, die befürchten, die Belastung des Studiums nicht durchhalten zu können. 
Relationsanalysen der Wünsche hinsichtlich persönlicher und beruflicher Entwicklung lassen vermuten, dass ein Wunsch nach Praxis-Theorie-Verzahnung mit dem Wunsch nach mehr Austausch und Reflexion und dem Wunsch nach gezielter Förderung der Selbstkompetenz- und Persönlichkeitsentwicklung einhergeht.

Mit Playmobilfiguren wird eine klassische Unterrichtssituation im Frontalunterricht nachgestellt.

3.4 Wünsche und Sorgen – abschließende Reflexion und ein Plädoyer

Menschen sind aktive, wachstumsorientierte Organismen und neigen natürlicherweise dazu, eine Balance zwischen den Elementen ihrer psychologischen Zusammensetzung und sich selbst sowie mit der sozialen Welt entwickeln zu wollen – darauf deuten auch diese Ergebnisse (3.3) hin. Diese natürlichen Entwicklungsneigungen erfordern ‚Nährstoffe‘ (z. B. Autonomie, Verbindung, Unterstützung) aus der sozialen Umgebung, um effektiv zu funktionieren (Deci & Ryan, 2000, S. 262). Um Lehrerausbildung (an der Hochschule oder Universität) gleichermaßen qualitativ hochwertig sowie bedürfnisorientiert gestalten zu können, sollten wir – so mein Plädoyer – gemeinsam daran arbeiten.
 

Gemeinsam heißt, mit allen Beteiligten ins Gespräch gehen, sich dabei gegenseitig ernst nehmen sowie multiperspektivisch reflektieren und diskutieren. Die Wünsche und Sorgen der Studierenden dieser Befragung geben lediglich einen kleinen Einblick, wo mögliche Ansatzpunkte sein können, um als Hochschule über langfristige (präventive) Lösungsansätze nachzudenken.6) Möglicherweise müssen wir, die Hochschullehrenden, den Wunsch nach mehr Austausch und Reflexion ernst und ihn zum Anlass nehmen, mit Studierenden zu reflektieren, weshalb bspw. ein theoretisches Fundament, das so vielfach beklagt und angezweifelt wird, doch so wichtig ist. Vielleicht haben die theoretischen Inhalte selbst aber auch noch Potenzial, gemeinsam mit den Studierenden reflektiert zu werden, d. h., möglicherweise benötigen sie mehr Unterstützung dabei, zu verstehen, inwiefern Theorie praxisbezogen sinnvoll und notwendig ist. Auch hierfür wäre mehr Raum für Austausch und Reflexion ein wichtiger Baustein, der außerdem dafür genutzt werden könnte, Ängste von Studierenden bspw. vor Prüfungen und Versagen aufzugreifen. Möglicherweise müssen wir genau da ansetzen, wo es ‚wehtut‘: bei der Zeit. Vielleicht müssen wir uns den Luxus erlauben und ein Studium gar nicht kürzer machen, sondern mehr Zeit für solche Denk- und Reflexionsräume nehmen, damit Studieren nicht ein ‚Abhaken von Modulen‘ ist, sondern Wert-voll wahrgenommen und gerne gemacht wird. Eine Möglichkeit, Reflexion hier gezielt anzuleiten und zu nutzen und ihr explizit Raum zu geben, wäre im Sinne einer Reflexionswerkstatt (Lederer, 2014; Lederer & Pawlik, 2007) denkbar.

Vielleicht müssen wir uns den Luxus erlauben und ein Studium gar nicht kürzer machen, sondern mehr Zeit für solche Denk- und Reflexionsräume nehmen, damit Studieren nicht ein ‚Abhaken von Modulen‘ ist, sondern Wert-voll wahrgenommen und gerne gemacht wird. 

Weiter sollte das Erleben von Selbstwirksamkeit der Studierenden, die u. a. mit Blick auf deren (anhaltende) Motivation bedeutsam ist, fokussiert werden. Da sich die Selbstwirksamkeitserwartung auf das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Herausforderungen zu bewältigen, bezieht, kann sie auch eine wichtige Rolle bei der (Berufs-)Motivation von (angehenden) Lehrpersonen spielen (Usher & Pajares, 2008). Selbstwirksamkeitserwartung ist eine Überzeugung, die das Denken, Fühlen und Handeln von Menschen beeinflusst und daher besonders wichtig für schwierige Aufgaben, die Anstrengung und Ausdauer erfordern, wie das Lehramt und die entsprechende Ausbildung dafür. Menschen mit hoher Selbstwirksamkeit sind überzeugt, ihre Umwelt aufgrund ihrer Fähigkeiten beeinflussen zu können und lässt sie die Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeit erkennen. Sie sind eher bereit, sich Herausforderungen zu stellen, Anstrengung zu investieren und trotz Hindernissen am Ball zu bleiben (Bandura, 1986). Selbstwirksamkeitserwartung hat zudem einen erheblichen Einfluss auf pädagogische Entscheidungen, Motivation und die Fähigkeit, effektiv mit Schülerinnen und Schülern zu interagieren und sie in ihrer Lernentwicklung zu unterstützen (Tschannen-Moran & Hoy, 2001).

(Angehende) Lehrerinnen und Lehrer, die ein hohes Vertrauen in ihre Fähigkeiten und Effektivität haben, zeigen potenziell eine höhere Ausdauer bei Aufgaben, eine geringere Anfälligkeit für Angststörungen und Depressionen sowie insgesamt mehr beruflichen Erfolg (ebd.). Indem wir Selbstwirksamkeit(serwartung) fördern, könnten wir einer Ursache des Lehrermangels, bedingt durch wahrgenommene Sinnlosigkeit (vgl. 1.1), und möglicherweise gleichzeitig der Prüfungs- und Studienabschlussängsten sowie der Sorge mangelhaft/falsch für die Lehrpraxis vorbereitet zu sein, begegnen und dem Wunsch nach gezielter Selbstkompetenz- und Persönlichkeitsentwicklung nachkommen. Wie eine solche Förderung konkret aussehen kann, gilt es zu diskutieren. 


Darüber hinaus sollten wir möglicherweise (das Gefühl von) Autonomie stärken, indem wir Studierenden ermöglichen, ihr Studium besser mit ihren weiteren Verpflichtungen zu vereinen und sich ggf. interessenspezifischer (aus)zubilden und weiterzuentwickeln, denn Autonomie(-Empfinden) kann negative Effekte von Überbelastung abmildern (Sandmeier et al., 2022). 
Überdies sollten wir uns Gedanken darüber machen, wie wir eine positive Feedbackkultur bereits während des Studiums stärken können und wie wir es als Hochschullehrpersonen schaffen können, den Studierenden mehr konstruktives Feedback auf bspw. Arbeitsaufträge zu geben – ohne dabei selbst in eine Überbelastung zu gleiten. 

Begleitend zu all dem plädiere ich aber dafür, Anforderungen, als im Sinne der Tätigkeiten und der Arbeit angemessen, wahrzunehmen und zu reflektieren und Studierende als angehende Lehrpersonen und (!) Menschen wahrzunehmen und zu reflektieren (Miller, 2023, S. 69–73). Im Sinne dialogischer Philosophie (z. B. Buber, 1923) möchte ich hier abschließend die Bedeutung von Dialog und Kommunikation hervorheben, um die Wirklichkeit verstehen und Erkenntnis erlangen und damit Lösungsansätze entdecken zu können. In diesem Sinne spreche ich mich aus für offenen und interaktiven Austausch von Ideen und Perspektiven zwischen allen am Bildungsgeschehen beteiligten (hier: an der Hochschule), denn gerade im wechselseitigen Austausch miteinander, in dem wir die Beziehung zwischen Ich und Du (an)erkennen, kann (Weiter-)Entwicklung gelingen (ebd.).


1) Die Textdaten wurden zunächst deduktiv mit den Kategorien nach (Miller, 2023) analysiert und induktiv um weitere Kategorien ergänzt.
2) Der Online-Fragebogen wurde an etwa 400 Studierende versendet, die Rücklaufquote beläuft sich somit auf ca. 17,7 %.
3) 80 % davon entfallen auf die Studierenden des Primarstufenlehramts.
4) Die restlichen 26 Studierenden haben hierzu keine Aussage gemacht oder keine Wünsche gehabt.
5) Die restlichen 43 Studierenden haben hierzu keine Aussage gemacht oder keine Wünsche gehabt.
6)  Im Anschluss an diese erste vorwiegend qualitative Studie ist eine quantitative Studie und die Befragung von mehr Studierenden zu erwägen.

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Simone Baumann
Simone Baumann Dr.

Dr. Simone Baumann ist in der empirischen Forschung am Institut für fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Forschung und Entwicklung der Pädagogischen Hochschule Tirol tätig.

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