Im ersten Teil des Buches prophezeit Herr Gerald Hüther nicht weniger als das „Ende von Schulen, wie wir sie kannten“.
Bevor es allerdings dazu kommen wird, muss erst wahrgenommen werden, wie gravierend, rasant und umfassend sich unsere Lebenswelt sowie unsere Arbeits- und Vorstellungswelt gerade verändern. Er konfrontiert die Leser*innen eindrücklich und schonungslos mit dem Dilemma, dass das öffentliche Schulwesen auf diese Veränderungen nicht reagiert und weiterhin dem Hang hierarchischer Systeme erliegt, neuen Herausforderungen mit alten, überkommenen Organisationsstrukturen zu begegnen.
Aus der Sicht der Hirnforschung erklärt er uns auch, warum wir dazu neigen, „an einmal gefundenen Lösungen festzuhalten“, selbst dann, „wenn sie längst nicht mehr funktionieren“. Dadurch werden jedoch nachhaltige, dringend notwendige Veränderungen be- und verhindert.
In der Schule muss immer noch das Bedürfnis nach Autonomie und selbstbestimmtem Handeln zugunsten der Anpassung an die von außen herangetragenen Anforderungen unterdrückt werden. Dafür gibt es Lob, gute Noten und schließlich die ersehnten und für das berufliche Fortkommen erforderlichen Zertifikate. „Aufbewahrung, Aussortierung und Selektion“ sind nach wie vor die bestimmenden Ziele. Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern sind in diese Muster zutiefst verwickelt.
Entwicklung ist nötig und möglich, denn unser überaus lernfähiges Gehirn kann sich verändern. Auch darauf bleibt der Autor Antworten nicht schuldig. Er beschreibt in der Folge, was für Gestaltungsmöglichkeiten sich anbieten, damit die jungen Menschen im 21. Jahrhundert sinnerfüllt und glücklich leben können. Das Nachdenken darüber führt sehr schnell weg von den sogenannten Bildungseinrichtungen hinaus ins - richtige - Leben.
Im zweiten Teil folgen dann auch beispielhaft Wege einiger Kinder, vorgestellt von den beiden Autoren Marcell Heinrich und Mitch Senf, herzerfrischende Beispiele von Lebendigkeit, Entwicklungschancen und Entfaltung. Hilfreiche Impulse für den Alltag begegnen uns genauso wie die Auflistung von Adressen interessanter, schon erprobter Initiativen. Zum Staunen, wie viele es gibt!
Die Autoren verdeutlichen, wie wichtig für Kinder und Jugendliche jene Räume sind, in denen sie autonom Entscheidungen treffen können und eigene Gestaltungsmöglichkeiten ausprobieren und ausleben dürfen. Hier können sie sich selbst kennenlernen und Selbstgewissheit gewinnen. Außerdem betonen sie die Bedeutung von Lebensbegleiter*innen/ Mentor*innen, die die jungen Menschen als Subjekte wahrnehmen und an sie glauben. Natürlich bleibt in diesem Zusammenhang auch nicht die Auseinandersetzung mit dem Leistungsdruck und dem Leistungsvergleich - im Unterricht allgegenwärtig - ausgespart.
Die beiden Autoren Heinrich und Senf zeigen auf, was mit Bildung wirklich gemeint ist und vergessen nicht, darauf hinzuweisen, dass viele Lehrer*innen unermüdlich durchaus geeignete Lernräume entwickeln und die systemimmanenten Begeisterungsbremsen abzufedern versuchen.
Die Erkenntnis aus den Konflikten, die sich für sie daraus ergeben, ist ganz einfach.
Unsere Schulen können gar nicht alles bereitstellen, was für ein gelingendes Leben notwendig ist. Ausbildung, jener selbstverständlich nicht unwesentliche Teilaspekt von Bildung, das kann die Schule leisten und das dürfen wir von ihr erwarten, wird resümiert.
Was es sonst noch für die Begleitung der jungen Menschen auf dem Weg in ein hoffentlich gelingendes Leben braucht, dafür sind wir alle tagtäglich zuständig.
Denn:
„Bildung ist alles, was Menschen je erleben und unternehmen. Sie findet immer statt. Von früh bis spät. Lebenslang.“
Meine persönliche Meinung:
Für die Beherzigung und Umsetzung der Botschaften dieses Buches ist es allerhöchste Zeit!
Über die Autoren
- GERALD HÜTHER
Entwicklungsbiologe, Hirnforscher, Fachbuchautor, Vorstand der Akademie für Potentialentfaltung
- MARCELL HEINRICH
Diplom-Sozialpädagoge
Vorher: Streetworker, Schulsozialarbeiter, Ex-Rapper
- MITCH SENF
Diplom-Sportmanager
Vorher: Spitzensportler, Breakdancer
Marcel Heinrich und Mitch Senf sind Wegbereiter für innovative Jugendarbeit und Berufsorientierung und Gründer der Hero Society
Kommentare
Sei der erste, der diesen Artikel kommentiert.
Kommentar schreiben
Bitte logge dich ein, um einen Kommentar zu schreiben.