Glosse: Habe die Ehre!

Wie viele Ehre steckt in einem "Habe die Ehre?". Ehre ist so vielschichtig. In dieser Glosse werden verschiedene Facetten des Begriffs untersucht und Beispiele aus der Geschichte zeigen auf, wie Ehre in unterschiedlichen Kontexten verstanden wird. 

 

Habe die Ehre...

„Habe die Ehre!“ Den Jungen ist das nicht mehr so geläufig, aber die Älteren kennen diesen wienerisch, leicht nasal-hofrätlich vorgetragenen Gruß. Ob vom Herrn Ministerialrat oder vom Herrn Oberkellner, der Gruß hat sein charmantes Statement. 
Die Intonierung als „Na habe die Ehre!“ (lautmalerisch: "na-hawadiäre") hat hingegen den Ausdruck des oft nicht übermäßigen Schreckens, z. B. im Angesicht einer zerbrochenen Untertasse...
So weit, so humorvoll; im ersten Beispiel wohl ein wenig an k. und k. Zeiten erinnernd. 

Dann gibt es aber noch die Ehre, die völlig vergiftet, die vergiftet ist und vergiftend wirkt. Das ist die Ehre, die mit Stolz, im negativen Sinn des Wortes, einhergeht, zum Beispiel ehrenhaft stolz über Heimat (unter Ausschließung „Anderer“, die zu solchen definitionsmäßig gemacht werden) zu sprechen, dies in der Art von „Daham statt Islam“ oder „Pummerin statt Muezzin“...
Ja, der Stolz als missbrauchte Ehre. Die Ehre, die nicht ehrenhaft ist, sondern nur Religionsersatz und Ausrede für „legitime Grausligkeit“, das ist der Urstoff für Schlimmes und Allerschlimmstes. Die Ursünde von Adam und Eva in der biblischen Tradition war sicher keine sexuelle Verfehlung. Wohl eher war es dieser Stolz, die Selbstehrung, die der Pate des ersten Sündenfalles war. 

Die Ehrbezeugung, das Allerheiligste mit Waffen bei Fronleichnamsprozessionen krachend zu begrüßen, ist theologisch schwer ableitbar, schon eher dem Lärmbrauchtum zuzuordnen, wenngleich die General-de-Charge manche unter dem Titel eines ehrenvollen Grußbrauchtums dem Allerhöchsten gegenüber verteidigen. 

Es gibt es Leute, die beim Grüßen sich durch entsprechenden Händedruck (schließlich ist man(n) ja ein Mannsbild) schmerzhaft in die Erinnerung des Visavis einschreiben wollen. Sie wollen eben Hierarchien ein-drücklich machen. Ist die Bittersüße des so herzhaften Händeschüttelns auch in das Gesicht des Plattgedrückten gezeichnet, wird meist kollegial gnädig weiterverfahren. Ja es gibt sie halt doch noch die wirklich „prägsamen“ Gestalten und ihre privilegierten Ehrbezeugungen.

Dabei gäbe es für eine rechtverstandene Ehre durchaus eine Lanze zu brechen. Vielfach hat sich manch zeitgeistige Strömung gegen die Ehre gewandt, indem ein Stolz hofiert wird, der dem Ehrgefühl spottet. 
Die deutsche Sprache kennt das Wort Ehrfurcht. Heute ausgesprochen, ist das Wort völlig gegen den Zeitgeist gebürstet. Es gibt Kulturen, die „Scham und Ehre“ gleichsetzen. Das eine ist so wertvoll wie das andere auch. Wenn es aber zur Exklusion verwendet wird („verletzte Familienehre!“ und all das, was dabei hineinphantasiert wird), wird diese Kombination gefährlich. Bei alledem gäbe es in schamlosen Zeiten (z. B. wirtschaftlicher Ausnützung) auch für die Scham gute Gründe, doch sind wir gesellschaftlich aus sicher zu problematisierenden Verschämungen (Verklemmungen) ziemlich schnell in Zeiten der Unverschämtheit gekippt. 
Die Ehrfurcht findet sich halt auch nicht im Trend von Coolness.
 
Und doch gälte es, über die tiefere Bedeutung solcher Wörter nachzudenken und ihnen im wahrsten Sinne „die Ehre zu geben“. Dem Begriff der Ehre die Würde zurückgeben, das hieße, es vor Kippvarianten bewahren. Es davor bewahren, ins Gegenteil gestürzt zu werden. 

Der Schreiber dieser Zeilen sah am 11. Sept. 2015 am Wiener Westbahnhof, wie der Herr Bundespräsident einen Teil der 5.500 Flüchtlinge am Westbahnhof begrüßte und ihnen auf diese Weise die Ehre gab. Es erinnert auch an Bischof Stecher, der am Höhepunkt der Rumänienkrise die rumänischen Flüchtlinge beim Ostersonntasgottesdienst willkommen hieß. Wie heißt es, und gilt es nicht auch für beide Richtungen: „Ehre, wem Ehre gebührt?“
 

Peter Stöger
Peter Stöger DDr.

Peter Stöger war Dozent am Institut für Lehrer*innenbildung und Schulforschung an der Universität Innsbruck und Buchautor.

Dieser Artikel erscheint unter Creative Commons, BY-NC-SA.

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