Glosse: Das Wort hören…

In seiner Glosse betont Peter Stöger die Bedeutung des aktiven Zuhörens und Verstehens von Wörtern im schulischen Kontext, um Vertrauen und tiefere Verbindungen zwischen Lehrern und Schülern zu fördern.

Das Wort hören ...

Man muss sich natürlich in ein Wort, genauso wie in einen Text auch, hineinhören lernen. Ob Pausengespräch, Wienwoche oder Elternsprechtag: Man muss sich in das Gesprochene hinein vortasten, ja, sich „in sich (und in das verlautete Wort) hinein-verlangsamen“. Erst so mag ein Text ahnenderweise, spürenderweise und in dem einen oder anderen auch wissenderweise Kindertext, Elterntext, Lehrer*in-Text klarer, vielleicht trauter, ja vertrauter werden …
Erst so mag das Wort, das hinter einer Vokabel im Konferenzzimmer, in der Direktionskanzlei, im Kinderaufsatz steht, möglicherweise wiederzufinden sein. Das gilt für alles Gesprochene mit all seinen lebensgeschichtlich vorausgegangenen Verlaufsfäden. Sie betreffen ja das jeweilige Vis-á-vis (in der schulärztlichen Beratung genauso wie im Klassenzimmer). Und das bestimmt immer das Vis-à-vis beider Gesprächspartner trotz aller Alters- oder Wissensunterscheide – denken wir nur an das soziale Lernen, das ein Kind, das das Mittelmeer überlebt hat, einbringt …

Man muss sich natürlich in ein Wort, genauso wie in einen Text auch, hineinhören lernen.

Dass Im-Wort-Bestehen hat zweifelsohne mit dem Gebrauch von Wörtern zu tun. Wir müssen uns ja ein Leben lang von Vokabeln hin zu besagten Wörtern durcharbeiten. Ein Wort wie "Pflicht" wird in besagtem Boat-People-Kind ein anderes spezifisches Gewicht haben als bei einer Lehrer*in aus dem Mittelstand. Je besser uns das Hören und Bestehen gelingt, desto klarer werden uns Wortfarben, -gerüche und -töne. Bis wir vielleicht, trotz unseres „verquatschten“ Berufes, weise geworden, am Lebensende Wort-Lichtteppiche sehen, so klar wie die Glasbildteppiche bei Sonnenschein in der Kathedrale von Chartre.

Das Wort in das Vertrauen zwischen Lehrer*in und Schüler*in sprechen, heißt, es voll des Vertrauens sprechen dürfen, das heißt dann, im Zuspruch stehen, vertrauensvoll sein. Ivan Illich spricht davon in „Die Beredsamkeit des Schweigens“. Im Schweigen Mariens bei der Verkündigung liegt allergebenes Vertrauen. So entsteht das Göttliche Kind in ihr. (1980, S. 83 f.) 

Literatur

  • Illich, Ivan (1980): Schulen helfen nicht, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt
Peter Stöger
Peter Stöger DDr.

Peter Stöger war Dozent am Institut für Lehrer*innenbildung und Schulforschung an der Universität Innsbruck und Buchautor.

Dieser Artikel erscheint unter Creative Commons, BY-NC-SA.

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