Digitale Spiel als Leitmedium
Digitale Spiele nehmen bei einem Großteil der Kinder einen hohen Stellenwert ein. So spielen laut aktueller KIM-Studie des medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest 60 Prozent der Sechs- bis 13-Jährigen ein-/mehrmals pro Woche. 15 Prozent der Kinder spielen zumindest selten und nur etwa ein Viertel gibt an, nie digital zu spielen. Bei den 12-19-Jährigen besteht sogar ein noch größeres Interesse. Hier geben laut JIM-Studie nur neun Prozent der befragten Jugendlichen an, keine digitalen Spiele zu nutzen.
Faszinationskraft digitaler Spiele
Warum aber greifen Kinder und Jugendliche so gerne und regelmäßig zu digitalen Spielen? Das große Interesse ergibt sich aus den folgenden Eigenschaften, die diesem Medium zuzuschreiben sind:
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Breites Spektrum an Spielvarianten und Themenbereichen
Die Faszinationskraft von digitalen Spielen korreliert stark mit ihren Inhalten. Von Sportspielen, Actionspielen über diverse Simulationen zu verschiedensten Themen – die Variationen scheinen inzwischen grenzenlos zu sein. Die Spielauswahl richtet sich tendenziell nach der individuellen Lebenswelt der Spielenden – ihre persönlichen Vorlieben und Interessen, sowie ihre Persönlichkeitsmerkmale und Hobbys sind dabei ausschlaggebend. -
Interaktivität, Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten
Digitale Spiele unterscheiden sich durch ihre Interaktivität von vielen anderen Medienangeboten. Neben der gewohnten passiven Rolle der*des Zeug*in, nehmen Spielende durch ihre Handlungen und Entscheidungen, auch eine aktive Rolle ein. Die Tätigkeit wird somit zu einem individuellen Erlebnis, das nicht nach einer vorab festgelegten Ereignisfolge abläuft. Spielende bestimmen mit, wie sich eine Geschichte entwickelt und wie die Spielwelt auf das eigene Tun reagiert. Auch bieten digitale Spiele oft Handlungsmöglichkeiten, die so im realen Leben nicht möglich sind und erlauben es gleichzeitig, dass Nutzer*innen an Herausforderungen folgenlos scheitern und sich immer wieder neue Problemlösungen erarbeiten müssen. -
Tutorials, steigende Schwierigkeit
Moderne Games bieten Nutzer*innen einen zugänglichen Spiel-Einstieg. Tutorials, in denen man die Steuerung, die Spielwelt und die Zielsetzung aktiv erarbeitet, sind oft direkt in den Spielverlauf eingewoben. Der Schwierigkeitsgrad steigt nur langsam an und korreliert mit den zunehmend erlernten Fähigkeiten. Auch lässt er sich in den meisten Fällen jederzeit individuell anpassen. -
Erlangung von Kontrolle, Macht und Kompetenz
Nutzer*innen erlangen zusehends Kontrolle über verschiedenste Spielmechaniken. Dadurch entsteht ein positives Gefühl der Macht innerhalb des Spiels, das zu erhöhtem Selbstbewusstsein führen kann. Gleichzeitig werden Kompetenzen gefordert, aber auch gefördert - vor allem motorischer, kognitiver, sozialer und kreativer Natur. -
Beeinflussung emotionaler Stimmungen
Digitale Spiele werden oft instrumentalisiert genutzt, um Spielende in eine positive Stimmung zu versetzen. Als einer der Hauptgründe, um ein Game überhaupt zu starten, wird sehr oft die Bekämpfung von Langeweile erwähnt. Gleichzeitig ermöglicht das Abtauchen in virtuelle Welten eine Entlastung von Problemen des Alltags und es kann zu Stress- und Aggressionsabbau führen. -
Erfolg, Belohnungen, Sichtbarkeit
Spielende werden besonders durch Erfolgserlebnisse motiviert und zum Weiterspielen angeregt. Dabei gibt es meist eine Fülle von Aufgaben und Zwischenzielen, die klar kommuniziert und mit erstrebenswerten Belohnungen verknüpft sind. Durch Ranglistensysteme und Auszeichnungen werden diese Erfolge auch für Freund*innen sichtbar.
Spielende bestimmen mit, wie sich eine Geschichte entwickelt und wie die Spielwelt auf das eigene Tun reagiert.
Digitale Spiele sind gerade auch aufgrund der erläuterten Elemente, ein fixer Bestandteil unserer Kinder und Jugendlichen. Doch wie schafft man es nun, diese Faszinationskräfte schlüssig in den Unterricht zu transferieren?
Klar stellen Prüfungen an sich ganze andere Situationen dar, die mit Spielen sehr wenig gemein haben. Aber der Weg dorthin, sprich der tagtägliche Unterricht, könnte durch vermehrten Einsatz von Gamification-Elementen, zu intrinsisch motivierten Schüler*innen führen, die dadurch auch mit mehr Selbstbewusstsein und Freude zu Prüfungen antreten.
Mit Gamification Motivation steigern
Als Gamification wird die Anwendung spieltypischer Elemente in einem spielfremden Kontext bezeichnet. Durch deren Integration soll eine signifikante Motivationssteigerung in den verschiedensten Bereichen erzielt werden. Zu den gängigsten Game-Design-Elementen gehören:
- Punkte
Für Aktivitäten der Nutzer*innen gibt es ein Punktesystem, dass klar geregelt und kommuniziert ist und das sowohl Plus- als auch Minuspunkte enthalten kann. Durch das Sammeln von Punkten können Belohnungen (Badges, Levelaufstieg,…) freigeschalten werden. Es ermöglicht kontinuierliches Feedback über den generierten Gesamtfortschritt. -
Levelaufstieg und Freischaltung von Inhalten
Ab einer gewissen Anzahl von Punkten können Nutzer*innen einen Level aufsteigen. Das Erreichen einer höheren Stufe sollte mit besonderen Belohnungen gekoppelt sein. Man wird zum Beispiel vom Lehrling zum Gesellen der Mathematik, oder darf auch mal eine Hausaufgabe vergessen. -
Fortschrittsanzeigen
Durch die Darstellung des Punktestandes können Teilnehmer*innen jederzeit ihren Fortschritt einsehen und abschätzen wie viel Aktivitäten notwendig sind, um das nächste Level zu erreichen. -
Bestenlisten
Hierbei können die jeweiligen Punktestände in der Gruppe verglichen werden. Dadurch wird die individuelle Leistung transparent, was einerseits stark motivieren, aber auch zu Rivalitäten führen kann. Zusätzlich können mithilfe der Bestenliste sinnvolle Teams für Gruppenmissionen gebildet werden. -
Badges
Stehen für virtuelle oder reale Auszeichnungen, die Nutzer*innen durch das Erbringen von gewissen Leistungen oder das Erreichen von Levels erhalten und als Statussymbol einsetzen können. -
Missionen
Oder auch „Quests“ stellen klare Aufgaben dar, die Nutzer*innen erfüllen können oder müssen. Mit ihnen lassen sich eng umfasste und vorgeschriebene Lernpfade vorgeben und für deren Meisterung müssen erworbene Fertig- und Fähigkeiten eingesetzt werden. -
Storytelling
Erzählstrukturen sind Kernelemente von digitalen Spielen. Sie führen dazu, dass sich Nutzer*innen länger und intensiver mit dem Spiel beschäftigen. Eine gamifizierende Verknüpfung der Lernumgebung mit einer bedeutsamen Geschichte ist allerdings herausfordernd, da sie glaubhaft integriert werden muss.
Neben den hier veranschaulichten Game-Design-Elementen, die den wichtigsten Grundstock abbilden, gibt es noch zahlreiche andere Gamification-Tools, um Nutzer*innen zu begeistern und im besten Fall intrinsisch zu motivieren. Gerade Kinder und Jugendliche kennen diese Mechaniken und verbinden sie positiv mit ihren bestehenden Erlebniswelten.
Liebe Leser*innen,
sollte ihr Interesse an Gamification geweckt worden sein, lade ich Sie dazu ein, sich mit dem Thema intensiver zu beschäftigen und selbst zu prüfen, welche Spielelemente in der eigenen Lehre sinnvoll eingesetzt werden können. Das wissen Sie mit Sicherheit am besten. Ich arbeite tagtäglich mit Kindern und Jugendlichen und kann Ihnen versichern, dass Spiele und ihre Grundelemente Begeisterung auslösen. Und jede bzw. jeder zusätzlich motivierte Schüler*in ist doch einen Versuch wert.
Weiterführende Linktipps
- "Soziale Fähigkeiten digitaler Spiele" von Nikolaus Staudacher
- "Mit Gamification spielend Schule verändern" von Marlies Schedler
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